Rosen für Hannah

Immer wieder kommen am Dienstag Anwohner zu dem abgelegenen Ort am Ende einer Sackgasse in Königswinter und halten still inne.

Königswinter. Weiße und rosa Rosen stecken in einem Zaun aus Maschendraht, davor flackern Kerzen in roten Grableuchten und kleinen Bechern. Ein großer Zettel hängt an dem Zaun. "Hannah wir vermissen Dich! Lea und Anke", steht darauf in geschwungenen großen Buchstaben. Immer wieder kommen am Dienstag Anwohner zu dem abgelegenen Ort am Ende einer Sackgasse in Königswinter und halten still inne. Am Rand eines Gewerbegeländes entdeckten Polizeibeamte am Vortag die Leiche des 14 Jahre alten Mädchens Hannah, nur einen Fußweg entfernt von seinem Elternhaus. Fünf Tage zuvor war die hübsche, blonde Schülerin in Königswinter, dicht an der Stadtgrenze zu Bonn, als vermisst gemeldet worden. Sie war von einem Besuch bei einem Freund nicht nach Hause gekommen und wurde Opfer eines Gewaltverbrechers. "Ich hab' so Angst, dass zwischen uns so ein Mensch lebt", schluchzt hinter ihrem Taschentuch eine Frau. Sie hat eine Vase mit einer Blume aus Plastik hingestellt. Immer wieder kommen Menschen und zünden still eine Kerze an, legen Blumen zum Zeichen ihrer Trauer nieder. Die Polizei hat die kleine Stichstraße, in der die Familie der 14-Jährigen wohnt, mit rotweißen Sperrbändern abgeschirmt und an jedem Ende einen Streifenwagen postiert. Unter einem Wegkreuz liegen Blumen und Karten mit aufgedruckten Herzen. Auf einem angeklebten Handzettel bittet die Familie von Hannah die Nachbarn, möglichst keine Interviews zu geben und die Presse fernzuhalten. Die knatternden Polizeihubschrauber waren in den vergangenen Tagen in dem Königswinterer Stadtteil Oberdollendorf gar nicht zu überhören gewesen. Immer wieder flog die Polizei auf der Suche nach dem vermissten Kind im Tiefflug das Gelände ab. Die verzweifelten Freunde und Mitschüler hatten Handzettel mit einem Bild von Hannah in Läden verteilt und an Laternenpfähle geklebt. Am Montag stoppte die Polizei sogar die Müllabfuhr, die Beamten durchwühlten die Tonnen nach Beweismitteln. Dann entdeckten Polizisten das tote Mädchen in einer abgelegenen Böschung unter einem Gebüsch. Einen Tag später steht dort eine 58 Jahre alte Nachbarin und stellt eine Kerze auf. "Meine Tochter hat gesagt, das war immer schlimm dort", sagt sie und zeigt mit der Hand hinter sich. Dort liegt die nahe Haltestelle, wo die 14-Jährige zuletzt beim Aussteigen gefilmt wurde. Die Station im engen Rheintal liegt neben einer tiefergelegten, vierspurigen Straße. Die mit Graffiti besprühte Haltestelle ist von einer Seite nur über eine Brücke zu erreichen. Der Weg zum anderen Gleis führt durch eine verschachtelte Unterführung - man würde den Ort eher am Rand einer anonymen Millionenstadt vermuten. "Die ganze Kundschaft ist schockiert", berichtet die Metzgerfrau. Die Polizei will mehr Streifen einsetzen. "Wir nehmen die Sorgen der Menschen ernst", sagt Bonns Polizeisprecher Harry Kolbe. Die Mithilfe der Freunde bei der Suche nach ihrer Mitschülerin sei couragiert gewesen. "Das ist schon beeindruckend, wie sie Solidarität gezeigt haben." In der Schule der 14-Jährigen begann der Dienstag mit einer von über 850 Schülern besuchten Trauerandacht in der Aula. Danach konnten sie mit Notfallseelsorgern sprechen oder Räume der Stille aufsuchen. "Heute sind die Lehrer einzig und allein für die Schüler da", sagt der Sprecher des Schulträgers, des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland. Nach dem letzten Gong warten vor der Schultür schon besorgte Eltern oder Großeltern, um die Kinder sicherheitshalber selbst abzuholen.