Online-Durchsuchung: Kein Blanko-Scheck für Razzien im Internet

Die SPD stimmt zwar grundsätzlich zu, doch viele Details sind strittig.

Berlin. Als Reaktion auf die verhinderten Terroranschläge wollen Deutschlands Innenminister künftig den Besuch von Terrorcamps bestrafen. Darauf einigten sie sich heute auf einer Sonderkonferenz in Berlin - bei den umstrittenen Online-Durchsuchungen gab es allerdings keinen Durchbruch.

Menschen müssten wegen paramilitärischer Ausbildung in Terrorcamps "aus dem Verkehr" gezogen werden können, sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Das gelte auch für die Werbung für terroristische Aktivitäten. Die dafür zuständige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) kündigte Vorschläge in kurzer Zeit an. Nach Vorstellung des hessischen Innenministers Volker Bouffier (CDU) sollen Ausländer nach einer Terrorausbildung nicht mehr nach Deutschland einreisen dürfen oder ausgewiesen werden.

Differenzen zwischen Union und SPD gibt es weiter bei der Frage, ob und in welchem Umfang man Online-Razzien bei Computern macht. Bouffier forderte in Übereinstimmung mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Bundesregierung solle das Gesetzgebungsverfahren beginnen. Dann könne das für Frühjahr 2008 erwartete Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu dem entsprechenden Gesetz in NRW noch berücksichtigt werden.

Zypries sagte, dass sie Schäubles Pläne nicht prinzipiell ablehne. Es mache aber keinen Sinn, "hoppla hopp ein Gesetz zu verabschieden, was im nächsten Monat schon wieder infrage steht". Zunächst sollten die Sicherheitsbehörden definieren, ob und wofür sie eine Online-Durchsuchung bräuchten. "Man muss wissen, worüber man eigentlich redet." SPD-Fraktionschef Peter Struck betonte, man werde Schäuble "keinen Blanko-Scheck ausstellen".

USA Die Anti-Terror-Gesetze erlauben Online-Razzien ohne richterliche Anordnung. Internet- und Telefonkontakte zwischen Verdächtigen dürfen bis zu einem Jahr lang ohne Richtergenehmigung überwacht werden.

GROSSBRITANNIEN Der Einsatz von Spionageprogrammen wie Trojanern ist grundsätzlich illegal. Allerdings lässt die Rechtslage ihre Nutzung durch die Polizei in besonders begründeten Fällen zu.

FRANKREICH Die Polizei kann bei Verdacht im Zuge von Hausdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss Daten auf Computern auswerten.

Sicher, dieses Mal genügte es, dass die Sicherheitskräfte Kuriere observierten, Autos verwanzten, Telefonate und E-Mails abfingen. Doch geben wir uns damit nicht einer trügerischen Sicherheit hin? Denn als die Attentäter ein Verschlüsselungsprogramm auf einen ihrer Computer aufspielten, wurden die Fahnder nach eigener Aussage "blind". Den vorhandenen Überwachungsbefugnissen sind also Grenzen gesetzt. Dabei werden künftige Gotteskrieger weiter lernen, wie sie Ermittler am besten täuschen können. Wer den Terroristen rechtzeitig das Handwerk legen will, muss mit ihnen also auf gleicher Augenhöhe sein. Dazu gehören auch Online-Durchsuchungen - in streng abgewogenen Fällen und rechtsstaatlich vertretbar.

Natürlich können nur durchdachte Gesetze dazu beitragen, dass die Bürger nicht das Vertrauen in unsere Rechtsordnung verlieren. Denn fest steht auch, dass sich die Privatsphäre bei Online-Razzien nicht vernünftig schützen lässt. Deshalb ist es wichtig, dass die Parteien nun nicht in Aktionismus verfallen und ein Gesetz aus dem Boden stampfen, das womöglich vor Gerichten keinen Bestand hat.

Die vehementen Gegner der Online-Razzien sollten übrigens eins bedenken: Sie müssen auch dann Argumente haben, wenn die Ermittler einmal zu spät kommen und eine Bombe unzählige Menschen in den Tod gerissen hat. Und wenn die Hinterbliebenen fragen: Hättet Ihr das nicht verhindern können?