Für Schröder ist er nur „der Frank“
Mehr als zehn Jahre stand Frank-Walter Steinmeier im Schatten seines Kanzlers. Jetzt greift er für die SPD selbst nach diesem Amt.
Düsseldorf. Im Urteil über Frank-Walter Steinmeier sind sich politische Freunde wie Gegner auf schon beängstigende Weise einig: Ihn zeichne Geduld, Gelassenheit und Ausdauer aus. Und vor allem Effizienz. Immer wieder Effizienz. Und dieses Bild des kühlen Technokraten der Macht verrät auch, was Steinmeier in den Augen vieler Beobachter fehlt: Ausstrahlung und Charisma, die Aura des Politischen, des Kämpfers, der für eine Idee in die Arena steigt und überzeugt.
Gerne wird darauf hingewiesen, dass der jetzt 52-jährige Jurist in seinem gesamten Politikerleben noch nie für ein Wahlamt kandidierte, und bei den in der Sozialdemokratie so beliebten Grundsatzdebatten hat man von ihm auch noch nie etwas gehört. Dennoch soll Gerhard Schröder schon vor Jahren - damals noch selbst Kanzler - immer wieder gesagt haben, Steinmeier sei der einzige in der Partei, dem er zutraue, den Job als Kanzler erfolgreich auszufüllen. Nur er habe die nötige Erfahrung, die Ruhe und das Augenmaß.
Gerhard Schröder und FrankWalter Steinmeier also: Der 1956 im lippischen Detmold geborene Tischlersohn, der eigentlich Architekt werden wollte, dann aber ein Jura- und Politik-Studium mit einer Promotion über Obdachlosigkeit abschloss, ist ohne den dritten sozialdemokratischen Kanzler dieser Republik nicht denkbar. Und umgekehrt - was häufig übersehen wird - der Kanzler Gerhard Schröder ohne seinen Gehilfen, Freund und Genossen Steinmeier ebenfalls nicht.
Schon unmittelbar nach seinem Studium trat Steinmeier - seit 1975 Sozialdemokrat - als Referent für Medienrecht in die niedersächsische Staatskanzlei ein. 1993 übernahm er die Leitung des persönlichen Büros des niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder.
Drei Jahre später machte ihn Schröder zum Leiter seiner Staatskanzlei. Und nach Schröders Wahlsieg 1998 folgte Steinmeier seinem Chef selbstverständlich nach Berlin und wurde Staatssekretär im Bundeskanzleramt - allerdings unter dem Kanzleramtsminister Bodo Hombach.
Eine Entscheidung, die außer Gerhard Schröder eigentlich niemand so recht verstehen konnte. Der Kanzler wollte mit Hombach offenbar "Schwung in den Laden" bringen. Aber bei näherem Hinsehen entpuppte sich der "Schwung" recht schnell als veritables Chaos. So dass selbst der damalige Parteichef Oskar Lafontaine nach Steinmeier zu rufen begann.
Schon am 7. Juli 1999 wurde der Ruf erhört: Steinmeier wurde Chef des Bundeskanzleramts und wirkte seither über sechs Jahre als Manager im Hintergrund an der Seite von Gerhard Schröder - effizient, zuverlässig, unauffällig.
Steinmeier schrieb für seinen Kanzler das Strategiepapier zur Reform des Renten- und Gesundheitssystems, steuerte die Hartz-IV-Reformen und sicherte Schröders distanzierte Haltung zum US-Krieg gegen den Irak ab. Aus dieser Zeit stammt auch das Schröder-Zitat, er vertraue nur drei Menschen: seiner Frau, seiner Büroleiterin - und "dem Frank".
"Der Frank" und "der Gerd" also. Nur ein einziges Mal übrigens soll "der Frank" seinem Kanzler widersprochen haben: Als Schröder nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2005 überraschend sein Heil in vorgezogenen Bundestagswahlen suchen wollte, warnte Steinmeier vor diesem Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Der Kanzler hörte nicht auf seinen Strategen, und das ist Schröder dann auch gar nicht gut bekommen.
War für Schröder die verlorene Bundestagswahl das Ende der politischen Karriere, begann mit der folgenden Großen Koalition Steinmeiers Stern in der Öffentlichkeit zu steigen. Für viele Beobachter kam die Berufung zum Außenminister überraschend, doch unbegründet war sie nicht: Nach den Anschlägen vom 11.September 2001 war Steinmeier mit Kanzler, Innen- und Verteidigungsminister im Krisenstab eingebunden. Zudem leitete er die Staatssekretärsrunde, die sich natürlich auch mit der Außenpolitik beschäftigte.
Als Außenminister und - nach dem Rücktritt von Franz Müntefering - als Vizekanzler setzte Steinmeier dann durchaus eigene politische Akzente. So beim Versuch, die Substanz der Schröderschen Russlandpolitik gegenüber Scharfmachern aus der Union zu verteidigen.
Oder mit seinen Warnungen vor einer "Schaufensterpolitik" für das heimische Publikum in der Tibetfrage. Seine Beliebtheitswerte haben erst jüngst den höchsten Stand erreicht. Und das erklärt sich wohl nicht allein aus dem Bonus, den bisher noch jeder Außenminister hatte.
Nun also der Spitzenkandidat und Wahlkämpfer Steinmeier. Gewiss, es gab wohl noch keinen SPD-Kanzlerkandidaten, der eine solch schlechte Ausgangslage hatte. Aber niemand sollte den Politiker Steinmeier unterschätzen.
Das Bild vom kühlen Technokraten ohne Charisma ist wohl inzwischen nicht einmal mehr die halbe Wahrheit. Als Steinmeier vor wenigen Tagen beim Oberbürgermeisterwahlkampf in Düsseldorf auftrat, da sprach ein mitreißender Wahlkämpfer, der nicht nur den Verstand, sondern auch die Emotionen bediente.
In Tonlage und Gestus fühlte ein Journalisten-Kollege sich sogar an Gerhard Schröder in seinen besten Tagen erinnert. Und der konnte - was immer man auch sonst von ihm halten mag - eines gewiss: Wahlkämpfe führen und (fast immer) gewinnen.