Steinmeier und Merkel vereinbaren fairen Umgang miteinander
Union warnt SPD nach Führungswechsel vor Endlos-Wahlkampf.
Berlin. Nach dem spektakulärenFührungswechsel bei der SPD hat die Union die Rückkehr zurRegierungsarbeit angemahnt und vor einem Endlos-Wahlkampf gewarnt. DieProbleme der SPD dürften „Deutschland nicht zum Stillstand führen“,sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla am Montag in Berlin.
„Es gibtnoch viel Arbeit.“ Führende SPD-Politiker meldeten sich ungeachtetdessen mit Wahlkampfparolen zu Wort. Fraktionschef Peter Struck sagte,die SPD werde versuchen, die stärkste Fraktion im Bundestag zu werden:„Wir fürchten niemanden.“ Hessens SPD-Chefin Andrea Ypsilantibekräftigte, an ihrem Fahrplan für eine linkstolerierteMinderheitsregierung festzuhalten.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte ihrem Herausforderer. Siewerde mit Steinmeier weiter gerne in der Bundesregierungzusammenarbeiten und freue sich „auf einen spannenden Wahlkampf imnächsten Jahr“, sagte Merkel in München.
Gleichzeitig übte dieCDU-Vorsitzende aber scharfe Kritik am Vorgehen der SPD im Zusammenhangmit dem Rücktritt von Parteichef Kurt Beck. Dies sei „der Würde einerVolkspartei nicht entsprechend“ und deute auf eine „tiefe Zerrissenheitder Sozialdemokraten“ hin.
Merkel und Steinmeier vereinbarten für die Zeit bis zur Bundestagswahleinen fairen Umgang miteinander. Beide hätten bekräftigt, dass sie solange wie möglich sachliche Regierungsarbeit leisten und dann einen„kurzen, spannenden Wahlkampf“ führen wollten, sagteVizeregierungssprecher Thomas Steg.
Dieser Wahlkampf solle „sehr fair,menschlich fair ablaufen, das haben sich beide in die Handversprochen“. Merkel sei von der Kanzlerkandidatur nicht überraschtworden, sondern sie habe „von Steinmeier persönlich erfahren, dass ernominiert wurde“.
Struck sagte vor der Entscheidung des SPD-Vorstands zur Nominierung vonFranz Müntefering: „Wir sind froh, dass wir einen Parteivorsitzendenhaben, der Wahlkampf kann.“ Brandenburgs Ministerpräsident MatthiasPlatzeck sagte: „Ich freue mich auf den Bundestagswahlkampf.“ BerlinsRegierender Bürgermeister Klaus Wowereit sagte, Beck habe die SPD auchgeeint.
„Die SPD ist eine linke Volkspartei“, hob er hervor. Er gehedavon aus, dass Müntefering und Steinmeier diesen Kurs fortsetzenwerden. „Wir müssen ein entkrampftes Verhältnis entwickeln zur Frage,wie gehen wir um mit der Linkspartei“, fügte der Chef der rot-rotenKoalition in Berlin hinzu.
Pofalla rief die SPD auf, „ihre Probleme möglichst schnell zu lösen“.Die drängendste Frage sei der Umgang mit der Linkspartei, sagte erangesichts der ersten offiziellen Gespräche der hessischen SPD übereine Zusammenarbeit mit den Linken am Dienstag. Dies sei ein erstergroßer „Lackmustest“ für Steinmeier.
Ypsilanti sicherte Steinmeier ihre Unterstützung zu; sie bekräftigtezugleich, an ihrem Fahrplan für eine linkstolerierteMinderheitsregierung festzuhalten. „Wir sind auf gutem Weg“, erklärteYpsilanti in Wiesbaden.
Die Debatte um den Kurs der SPD ging nach dem Führungswechsel weiter.Der dem linken SPD-Flügel angehörende Bundestagsabgeordnete KlausBarthel sagte im Deutschlandfunk, Müntefering müsse die ganze Parteinoch von sich überzeugen. Geschlossenheit entstehe nicht durch
Personalentscheidungen, sondern durch eine Debatte über Inhalte.Juso-Chefin Franziska Drohsel erneuerte ihren Appell an Müntefering, esdürfe „kein Zurück zur Agenda-Politik“ geben. Vorstandsmitglied HermannScheer verteidigte die Kritik an der Agenda 2010. Es gehe nie darum,das gesamte Gesetzeswerk zurückzudrehen.
Es sei aber „allerhöchste Zeitfür die SPD, über die konkreten Vorschläge angemessen zu diskutierenund nicht den Gesetzestext des Jahres 2003 zur Bibel erklären zuwollen“, sagte Scheer im ZDF.
Struck sagte im ZDF, Ursache für die Schwierigkeiten in der Partei sei,dass „manche die Agenda 2010 noch nicht verarbeitet haben“. Auch denParteilinken sei klar, dass Geschlossenheit erforderlich sei.Präsidiumsmitglied Christoph Matschie widersprach Spekulationen, mitMüntefering und Steinmeier werde es einen Rechtsruck in der SPD geben:„Es gibt keine inhaltliche Verschiebung.“