Horst Köhler: „Es war mir eine Ehre“
Der Bundespräsident übt Kritik am fehlenden Respekt vor dem höchsten Staatsamt.
Berlin. Acht Schritte bis zum Abschied. Horst Köhler geht sie nicht alleine. Eva Luise Köhler, die Frau des Bundespräsidenten, ist mitgekommen - zu diesem letzten Akt ihres Mannes als Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Mit sechs schlichten Worten hatte das Präsidialamt zuvor - ohne Angabe von Gründen - ins Schloss Bellevue gebeten: "Bundespräsident Horst Köhler gibt Presse-Erklärung ab." Rätselraten. Was hat der erste Mann im Staate mitzuteilen? Wird Köhler gar das Dauerthema "Afghanistan-Einsatz" nach seinen kritisierten Äußerungen weiter befeuern?
Punkt 14 Uhr betreten die Köhlers den Saal. Die Gesichter sind ernst. Links hinter Köhler steht die Flagge mit dem Bundesadler. Mitarbeiter des Präsidialamtes mischen sich unter die Journalisten. Am Rand steht auch Petra Diroll, bis vor kurzem noch Rundfunk-Korrespondentin in Berlin. Am Dienstag sollte ihr erster Tag im Schloss Bellevue sein - als Pressesprecherin des Bundespräsidenten Horst Köhler. Doch den Bundespräsidenten Köhler wird es in Kürze nicht mehr geben.
Stille im Saal. Der Bundespräsident verliest eine Erklärung von 22 Zeilen. Der letzte Satz lautet: "Es war mir eine Ehre, Deutschland als Bundespräsident zu dienen." Köhler verkündet das Unfassbare: Ein Jahr und acht Tage, nachdem ihn die Bundesversammlung für eine zweite Amtszeit gewählt hat, erklärt er seinen Rücktritt - "mit sofortiger Wirkung".
Der erste Mann im Staate will tatsächlich Glauben machen, dass Kritik an seinen Interview-Äußerungen zu deutschen Militär-Einsätzen ihn dazu getrieben hat. Fehlender Respekt vor dem höchsten Staatsamt.
Köhler nimmt die Brille ab. Ein letzter Blick in die Kameras. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) weiß es seit der Mittagsstunde. Köhler hat sie am Telefon - ebenso wie Vize-Kanzler Guido Westerwelle (FDP) - über seinen Schritt informiert.
Zweieinhalb Stunden später tritt Merkel vor die Presse. "Überrascht" sei sie gewesen, bekennt die Regierungschefin, die wie Westerwelle versucht hatte, Köhler umzustimmen. Vergeblich. Noch am Freitag hatte sich die Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach auch im Namen ihrer Kanzlerin geweigert, Köhler beizuspringen.
Dass eine Verfassungsorgan (Bundeskanzlerin) wolle das andere Verfassungsorgan (Bundespräsident) nicht interpretieren, so die Sprachregelung. Köhler war an diesem Tag beim Start der Kampagne "Gemeinsam für Afrika" Teilnehmer einer Podiumsdebatte. Köhlers Miene war bereits da versteinert, die Debatte über sein Interview in vollem Gange.
Jetzt müssen Merkel, Westerwelle und CSU-Chef Horst Seehofer wie auch die Parteichefs von SPD, Grünen und Linken sich erneut auf Kandidatensuche begeben. Die Lage ist ernst. Merkel sagt ihren für Montagabend geplanten Besuch bei der Fußball-Nationalmannschaft im Trainingslager in Eppan/Südtirol ab. Seit Montag 14.03 Uhr ist die Kandidatensuche eröffnet.