Ärzte verbieten sich Sterbehilfe
Kiel (dpa) - Ärzte dürfen künftig auch hoffnungslos todkranken Patienten nicht zum Sterben verhelfen. Eine entsprechende Änderung der Berufsordnung beschlossen die Delegierten des 114. Ärztetags in Kiel am Mittwoch nach kontroverser Debatte.
Ärzte haben Sterbenden demnach unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. „Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten.“
Für den Vorstandsantrag der Bundesärztekammer stimmten 166 Delegierte, dagegen 56, es enthielten sich 7. Mehrere Delegierte hatten sich vehement gegen ein Verbot gewandt. Nach der bisherigen Berufsordnung durften Ärzte das Leben des Sterbenden lediglich „nicht aktiv verkürzen“.
In einer von der Kammer selbst in Auftrag gegebenen Allensbach-Umfrage aus dem Jahr 2009 waren 30 Prozent für eine Regelung, die einem Arzt erlaubt, einen Todkranken beim Suizid zu unterstützen - etwa mit tödlichen Medikamenten, die der Patient selbst einnimmt.
In der Debatte drangen mehrere Delegierte darauf, die etwas lockere alte Formulierung zu belassen. Ärztepräsident Jörg-Dietrich Hoppe sagte, Fälle, bei denen ein ärztlich assistierter Suizid vorkomme, würden selten bekannt. „Das ist ja ein Zweierbündnis, und der eine von beiden verstirbt.“
Noch vor wenigen Monaten hatte Hoppe gesagt: „Wenn Ärzte mit sich selbst im Reinen sind, brechen wir nicht den Stab über sie.“ Doch die Berufsordnung ist bindend - Verstöße können zur Aberkennung der Approbation führen.
Der Präsident der Gesellschaft für Palliativmedizin, Friedemann Nauck, zeigte sich zuversichtlich, dass weniger Patienten nach aktiver Sterbehilfe oder Hilfe beim Sterben fragen, wenn die Ärzte mit ihren Patienten offen über deren Ängste sprechen. Zentral sei ein weiterer Aufbau von Palliativmedizin in Deutschland.
Dabei zähle auch gute Symptomkontrolle und gute Schmerzlinderung. „Es bestehen Defizite“, sagte Nauck. Dies betreffe Ausbildung, Finanzierung und flächendeckende Angebote.
In der Streitfrage von Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas sprach sich der Ärztetag für eine Zulassung in engen Grenzen aus. Vor der Bundestagsentscheidung am 30. Juni dazu beschlossen die Mediziner Kriterien, nach denen die Präimplantationsdiagnostik (PID) durchgeführt werden soll. Der Antrag erhielt nach intensiver Debatte 204 Ja-Stimmen, 33 Delegierte stimmten dagegen, 6 enthielten sich.
Die PID soll demnach nur für Erkrankungen durchgeführt werden, für die bei einem Paar ein hohes genetisches Risiko bekannt ist. Die Ärzte fordern, dass Einzelfälle in PID-Kommissionen anonym geprüft werden, die bei den Landesärztekammern eingerichtet werden.
Angesichts des dramatischen Mangels an Spenderorganen in Deutschland wollen die Ärzte die Bürger verstärkt von einem Ja zur Spende überzeugen. Ziel sei eine Pflicht, wonach alle Bürger ab einem bestimmten Alter eine Erklärung abgeben sollen, sagte Kammergeschäftsführer Christoph Fuchs. Liegt nach dem Tod keine Erklärung vor, könnten dem Verstorbenen dennoch Organe entnommen werden. Davor soll allerdings der mutmaßliche Wille gemeinsam mit den Angehörigen ermittelt werden.
Heute gelten nur Besitzer eines Spenderausweises als Organspender. Man muss sich also zu Lebzeiten erklärt haben. In allen anderen Fällen müssen die Verwandten ihr Einverständnis abgeben.