120 000 Protestanten feiern Kirchentag in Dresden
Dresden (dpa) - 120 000 Christen aus ganz Deutschland haben sich am Mittwoch in Dresden zum 33. Evangelischen Kirchentag versammelt.
Bis Sonntag wollen sie in der sächsischen Hauptstadt über gesellschaftliche Fragen wie den Atomausstieg oder die Integration von Zuwanderern diskutieren, gemeinsam beten und feiern. Dazu sind mehr als 2300 Veranstaltungen geplant.
Zum Auftakt des Laientreffens drängte Bundespräsident Christian Wulff die beiden großen Kirchen in Deutschland zu mehr Ökumene. „Ich bin kein Theologe. Aber ich weiß: Viele Menschen in beiden Kirchen wünschen sich, genau wie ich, mehr ökumenische Zusammenarbeit, mehr Mut, aufeinander zuzugehen, mehr gemeinsames Handeln und Beten“, sagte Wulff nach dem vorab verbreiteten Redemanuskript.
„Viele Menschen in beiden Kirchen wissen, dass die christliche Botschaft in Zukunft nur glaubwürdig ist, wenn sie von allen Christen gemeinsam bezeugt, gemeinsam gelebt wird“, sagte der Katholik Wulff. „Das Land der Reformation sollte noch mehr das Pionierland der Ökumene werden.“
Die Veranstalter erhoffen sich vom Kirchentag neue Impulse für den Glauben. „Ich würde mich freuen, wenn dieser Kirchentag bei Suchenden die Erkenntnis stärkt und Interesse daran weckt, dass das Christentum glaubwürdige Antworten und Angebote bereithält“, sagte die Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt.
Für das fünftägige Fest des Glaubens haben sich so viele angemeldet wie seit dem Kirchentag 1995 in Hamburg nicht mehr. Ein Drittel kommt aus dem Osten. „Dies ist der erste wirklich gesamtdeutsche Kirchentag seit (dem Mauerbau) 1961“, schloss Göring-Eckardt daraus. Die Resonanz gerade in Ostdeutschland sei umso bemerkenswerter, als dort nur ein Viertel der Bevölkerung einer christlichen Kirche angehöre. Im Westen sind es 70 Prozent.
Göring-Eckardt verwies auf die Umbrüche in Deutschland und der Welt, die viele Menschen verunsicherten und nach Orientierung suchen ließen. „In dieser Lage ist evangelische Zeitansage besonders gefragt.“ Dies gelte beispielsweise bei der Abkehr von der Atomkraft und der Energiewende in der Bundesrepublik. „Dieser Kirchentag kann ein kräftiges Zeichen für eine neue, andere Energiezukunft setzen“, meinte die Grünen-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin.
Zur Eröffnung des Kirchentages strömten am frühen Abend zehntausende Menschen zu drei großen Open-Air-Gottesdiensten. Sachsens Landesbischof Jochen Bohl warnte in seiner Predigt vor übermäßigem Besitzstreben. „Nein, Geld macht nicht glücklich, sondern lenkt von dem ab, was im Leben wirklich zählt.“ Dazu zählten Gottvertrauen und ein reines Herz.
Im Mittelpunkt der zahlreichen theologischen Angebote auf dem Kirchentag steht die Diskussion über die Bibel. Thema ist auch der ökumenische Dialog mit der Katholischen Kirche, den viele Laien - wie von Wulff angesprochen - als schwierig und von Stillstand geprägt empfinden.
Der Evangelische Kirchentag wird alle zwei Jahre in einer anderen Stadt organisiert und steht diesmal unter der Losung „ ... da wird auch dein Herz sein“. Das Großereignis wurde nahezu ausschließlich von Laien vorbereitet, 5000 ehrenamtliche Helfer engagieren sich. Dresdens Hotels und Pensionen sind ausgebucht, zehntausende zusätzliche Betten für Kirchentagsgäste gibt es in Privatquartieren oder Schulen.
Für Aufregung sorgte ein verdächtiger Beutel in einem Zug auf dem Dresdner Hauptbahnhof, nach dessen Fund die Polizei Großalarm auslöste. Nach knapp zwei Stunden stand fest, dass es sich nicht um eine Bombe, sondern um ein harmloses Gepäckstück handelte.
Der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer zeigte sich erfreut darüber, dass der Kirchentag wieder politischer als zuletzt sei. Das Christentreffen knüpfe wieder an die großen gesellschaftlichen Themen der 80er Jahre wie Frieden, Umweltschutz oder Atomausstieg an, sagte Schorlemmer der „Leipziger Volkszeitung“ (Mittwoch). Er erwarte beim Kirchentag harte Debatten darüber, denn: „Wir gießen manchmal zu oft süße Soße über die Probleme.“