Baden-Württemberg: Grüner Triumph und CDU-Fiasko

Stuttgart (dpa) - Der historische Machtwechsel in Baden-Württemberg ist perfekt. Erstmals in Deutschland wird ein Bundesland voraussichtlich von einem grünen Ministerpräsidenten regiert. Der 62-jährige Winfried Kretschmann will Regierungschef Stefan Mappus (CDU) beerben.

Grün-Rot triumphierte am Sonntag bei der Landtagswahl über die schwarz-gelbe Koalition und hat im Landtag einen Sitz mehr als die absolute Mehrheit. Für die Grünen ist die Führungsrolle in einem Regierungsbündnis eine bundesweite Premiere.

„Das ist kein guter Tag für Baden-Württemberg“, sagte Mappus. Die Niederlage für die Südwest-CDU ist auch ein Debakel für Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich stark in den Wahlkampf eingeschaltet hatte.

Die CDU holt das schlechteste Ergebnis seit über 55 Jahren, wird aber wieder stärkste Kraft. Die Grünen konnten unter dem Eindruck der Atomkatastrophe in Japan ihr Ergebnis mehr als verdoppeln. Sie landen erstmals auf Rang zwei hinter der CDU und vor der SPD. „Jetzt haben wir die historische Wende in diesem Land erreicht“, jubelte Kretschmann. Die Südwest-SPD fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. Die FDP stürzte ab und übersprang nur knapp die Fünf-Prozent-Hürde. Die Linke schaffte nicht den Sprung in den Landtag.

Hinter dem umstrittenen Milliarden-Bahnprojekt Stuttgart 21 steht nun wieder ein großes Fragezeichen. Die Grünen hatten das Vorhaben erbittert bekämpft. Gemeinsam mit der SPD will Kretschmann nun eine Volksabstimmung organisieren. „Wir werden in diesem Land einen Politikwechsel einleiten. Wir werden den versprochenen Weg in die Bürgergesellschaft gehen“, erklärte der 62-Jährige. Die Landes-SPD will als Juniorpartner mit den Grünen regieren. „Wir werden nicht alles anders machen, aber vieles besser“, kündigte Spitzenkandidat Nils Schmid an.

In der CDU deutete sich kurz nach der Abwahl von Mappus bereits ein Machtkampf an: CDU-Fraktionschef Peter Hauk erklärte seinen Willen, die Rolle des Oppositionsführers zu übernehmen. „Ich werde mich wieder für das Amt (des Fraktionschefs) bewerben“, sagte Hauk der Nachrichtenagentur dpa. CDU-Landeschef Mappus kündigte an, über personelle Konsequenzen nachdenken zu wollen. Die Entscheidung soll am Montagabend bei den Sitzungen der CDU-Spitzengremien fallen.

CDU-Generalsekretär Thomas Strobl erklärte die Verluste wie Mappus mit der Atomkatastrophe in Japan. Landesthemen seien im Wahlkampf untergegangen: „Diese Landtagswahl ist in Japan entschieden worden. Das konnten wir nicht mehr aufholen.“ Mappus, der einer der größten Verfechter der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke gewesen war, bemühte sich um Schadensbegrenzung für CDU-Chefin und Kanzlerin Merkel. Mit Blick auf das Atom-Moratorium der Bundesregierung nach dem Desaster in Fukushima betonte er: „Der Kurs war und ist richtig, da gibt es auch keine Schuldzuweisungen irgendwohin. Man muss nichts in Richtung Berlin konstruieren.“

Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis kam die CDU auf 39,0 Prozent und verlor damit knapp 5,2 Punkte im Vergleich zu 2006. Die Grünen erzielten 24,2 Prozent und legten damit um 12,5 Punkte zu. Die SPD erreichte 23,1 Prozent und verlor 2,1 Punkte. Die FDP, die seit 1996 mit der CDU regierte, erzielte nur 5,3 und damit 5,4 Punkte weniger als vor fünf Jahren. Die CDU im neuen Landtag erhielt 60 Sitze (bisher 69). Die Grünen stellen 36 Abgeordnete (bisher 17), sie holten erstmals 9 Direktmandate. Die SPD erreichte 35 Sitze (bisher 38). Die FDP kommt auf 7 Mandate (bisher 15). Für die absolute Mehrheit sind 70 Sitze erforderlich - Grün-Rot kommt auf einen Sitz mehr. Die Wahlbeteiligung war mit 66,2 Prozent die höchste seit 15 Jahren.