Berlin klagt wegen Schadstoffen im Spielzeug gegen EU
Berlin/Brüssel (dpa) - Deutschland zieht gegen die EU-Kommission vor Gericht, um den schärferen nationalen Schutz vor Giftstoffen im Spielzeug zu bewahren. „Wenn es um die Sicherheit von Kindern geht, darf es keine Kompromisse geben“, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU).
Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) begründete die für nächste Woche geplante Klage, hohe deutsche Standards müssten beibehalten werden. Die EU-Kommission verteidigte ihre Pläne. Berlin befürchtet dadurch ab 2013 höhere Belastungen an Blei, Arsen und Quecksilber als derzeit in Deutschland erlaubt.
„Es geht darum, dass man möglichst wenig aufnimmt“, sagte Aigner. Nach Analysen des Bundesinstituts für Risikobewertung droht mit einer EU-Richtlinie, dass zulässige Höchstmengen bei mehreren Schadstoffen künftig um ein Vielfaches höher liegen als bisher. Hintergrund ist auch eine neue Grenzwertdefinition: Wird sie bisher danach bemessen, wie viel Stoffe im Körper aufgenommen werden, soll künftig gelten, welche Stoffmengen ein Spielzeug abgeben darf. Anlass der Klage ist nun, dass Berlin bei der EU-Kommission vergeblich abweichende nationale Grenzwerte etwa für Blei, Arsen und Quecksilber beantragt hatte.
Die Regelungen der Richtlinie für die chemischen Anforderungen an Spielzeug sollen ab Juli 2013 wirksam werden. Chemikalien werden etwa als Weichmacher für Plastik oder in Farben eingesetzt. Arsen gilt als krebserregend und kann Hautveränderungen auslösen, Blei kann die Hirnentwicklung stören. Ein erster Teil der Richtlinie war schon im Juli 2011 in Kraft getreten. Darin werden unter anderem strengere Vorgaben für Produktion, Kontrollen und Warnhinweise gemacht - etwa für Spielzeug, das aus vielen kleinen Teilen besteht.
Die EU-Kommission wies die Vorwürfe zurück. „Es steht außer Frage, dass die Spielzeug-Richtlinie die höchsten Standards für Spielzeugsicherheit beibehält“, sagte ein Sprecher der Brüsseler Behörde. Die Differenzen beruhten auf einer unterschiedlichen Auslegung der Vorgaben. Die Entscheidung über die zulässigen Höchstkonzentrationen von Giftstoffen hatte ein gemeinsames Expertengremium von EU-Kommission und EU-Ländern getroffen. Deutschland war mit einem Teil der festgesetzten Werte nicht einverstanden und durfte eigene Vorgaben vorerst beibehalten.
Die deutsche Opposition hielt der Bundesregierung Zögerlichkeit vor. „Die Klage kommt zwei Jahre zu spät“, hieß es bei der SPD. Die Grünen im Bundestag nannten das Agieren bei Schadstoff-Grenzwerten in Kinderspielzeug „eine Chronik der bürokratischen Verschleppung“.
Der FDP-Verbraucherexperte Erik Schweickert begrüßte die Klage als richtigen Weg. „Die EU-Kommission hat uns keine andere Wahl gelassen, da auf europäischer Ebene bisher keine Einigung auf das strengere deutsche Grenzwertniveau zu erreichen war.“ Baden-Württembergs Verbraucherminister Alexander Bonde (Grüne) sagte: „Die nationalen strikten Grenzwerte für Schadstoffe dürfen nicht durch laxere EU-Vorgaben verwässert werden.“