Bleiberecht für Ausländer wird ausgedehnt
Berlin (dpa) - Bleiberecht für die einen, Abschiebung für die anderen: Die Bundesregierung baut das Aufenthaltsgesetz für Ausländer und Flüchtlinge an vielen Stellen um.
Wer bislang nur geduldet ist, sich aber gut integriert hat, soll bessere Möglichkeiten bekommen, längerfristig in Deutschland zu bleiben. Auf der anderen Seite will die Regierung dafür sorgen, dass kriminelle Ausländer, aber auch andere Menschen ohne Aufenthaltsberechtigung einfacher abgeschoben und mit Wiedereinreisesperren belegt werden können. Das Kabinett beschloss dazu am Mittwoch einen Gesetzentwurf. Die Opposition und Flüchtlingsaktivisten kritisierten das Vorhaben scharf.
In Deutschland leben derzeit mehr als 100 000 Geduldete - also Menschen, deren Asylantrag keinen Erfolg hatte, die aus verschiedenen Gründen aber nicht abgeschoben werden. Die Regierung will ihnen nun mehr Chancen auf ein sicheres Bleiberecht geben, und zwar - anders als bislang - unabhängig von einem gesetzlichen Stichtag. Voraussetzung ist: Jemand lebt seit mehreren Jahren in Deutschland, kann ausreichende Deutschkenntnisse vorweisen und seinen Lebensunterhalt überwiegend selbst sichern. Nach Schätzungen der Regierung könnten mehrere Zehntausend Menschen davon profitieren.
Gleichzeitig sind aber auch zahlreiche Verschärfungen vorgesehen: Das Ausweisungsrecht wird komplett neu geordnet. Ausländer, die sich zum Beispiel strafbar gemacht haben, Anhänger von Terrorgruppen sind und keinerlei Aufenthaltsrecht haben, sollen schneller aus dem Land geschickt werden. Behörden bekommen mehr Möglichkeiten, Aufenthalts- und Einreiseverbote zu verhängen. Zur Abwicklung von Abschiebungen will die Regierung einen neuen „Ausreisegewahrsam“ einführen, bei dem Menschen kurz vor ihrer Abschiebung bis zu vier Tage festgehalten werden können. Auch die Möglichkeiten für die Anordnung von Abschiebehaft für Asylbewerber sollen ausgeweitet werden.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte: „Das Gesetz regelt zwei Seiten derselben Medaille.“ Es habe für die einen eine einladende, für die anderen eine abweisende Botschaft. Das Vorhaben sei ein notwendiger Schritt, um mit den aktuellen migrationspolitischen Herausforderungen fertig zu werden. Es liefere Klarheit und Gerechtigkeit in der Flüchtlingspolitik.
Die Grünen kritisierten die Pläne als „kafkaesk“. Einwanderergruppen würden gegeneinander ausgespielt. Grünen-Chefin Simone Peter beklagte, der längst überfälligen Bleiberechtsregelung stünden massive Verschärfungen an anderer Stelle gegenüber. Die Linke-Politikerin Ulla Jelpke sagte, der Gesetzentwurf lese sich „wie das Programm einer Partei am rechten Rand des politischen Spektrums“. Die Koalition betreibe eine Politik der Abschreckung und Ausgrenzung.
Die Flüchtlingsorganisation Pro Asyl wertete die meisten Teile der Reform als fragwürdig und unverhältnismäßig. Noch dazu könne die Bleiberechtsregelung dadurch unterlaufen werden, dass Behörden mehr Optionen bekämen, Aufenthaltsverbote zu verhängen.
Nach Angaben des Innenressorts ist eine Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetzentwurf nicht nötig. Die Länderkammer hatte sich zuletzt gerade bei Gesetzesplänen zur Asylpolitik mehrfach quergestellt.