NRW greift bei Abschiebung durch: Warum der abgeschobene Türke als Gefährder gilt
NRW greift bei der Abschiebung von Gefährdern durch. Ein junger radikaler Islamist wurde wegen Terrorgefahr in die Türkei zurückbefördert. Grundlage ist ein viel diskutierter Gesetzesartikel.
Düsseldorf. Erstmals hat Nordrhein-Westfalen einen Ausländer abgeschoben, der von der Polizei als Gefährder angesehen wird und sich dabei auf den Paragrafen 58a des Aufenthaltsgesetzes gestützt. Der türkische Staatsangehörige wurde laut Flüchtlingsministerium bereits Ende des vergangenen Jahres in die Türkei zurückbefördert. Fragen und Antworten im Überblick:
Ein Gefährder ist laut NRW-Innenministerium eine Person, der zugetraut wird, eine politisch motivierte Straftat von erheblicher Bedeutung begehen zu können. Gefährder bedeutet aber nicht Straftäter. Es handelt sich um einen polizeilichen Arbeitsbegriff, der nicht gesetzlich definiert ist.
Der Paragraf 58a des Aufenthaltsgesetzes erlaubt in begründeten Fällen eine Abschiebung „zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr“. Die Abschiebungsanordnung ist sofort zu vollziehen. Der Paragraf wurde nach den Anschlägen vom 11. September 2001 eingeführt.
Bei dem Mann handelt es sich nach einem Bericht des „Westfalenblatts“ um einen 21-jährigen Türken aus Altenbeken bei Paderborn, der im Verdacht stehe, sich der Terrororganisation „Islamischer Staat“ anschließen zu wollen. Unter anderem waren bei ihm ein Kleidungsstück mit „IS“-Logo und ein Handy mit Videos von Selbstmordattentätern und brutalen Hinrichtungen gefunden worden. Außerdem soll er angegeben haben, er stehe „eintausendprozentig“ hinter dem IS. Der Mann war bei der Rückkehr aus Ägypten am Flughafen Frankfurt festgesetzt worden. In Kairo war ihm die Einreise verweigert worden.
Der Mann stand saß seit Ende März 2017 in Untersuchungshaft und musste sich seit September vor dem Landgericht Dortmund wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat verantworten. Das Verfahren wurde mit seiner Abschiebung auf Eis gelegt.
Das dürfte schwer möglich sein. Gegen den Verdächtigen liegt ein internationaler Haftbefehl vor. „Das bedeutet, dass er sofort festgenommen würde, wenn er wieder einreisen wollte“, sagt der Sprecher des Landgerichts Dortmund, Christian Fastermann. Das Verfahren gegen den Mann könne jederzeit wieder aufgenommen werden.
„Wir gehen mit aller Konsequenz gegen die Bedrohung durch islamistische Terroristen vor und führen den Kampf gegen Extremisten entschlossen und mit allen Mitteln unseres Rechtsstaates“, erklärt Integrationsminister Joachim Stamp (FDP). Dazu werde die Landesregierung „wo es möglich und geboten ist“ den Paragrafen 58a des Aufenthaltsgesetzes anwenden. „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, Kriminelle und Gefährder konsequent abzuschieben.“
Nach Angaben des NRW-Flüchtlingsministeriums sind derzeit 13 ausländische Gefährder in dem Bundesland ausreisepflichtig. Aufenthaltsrechtliche Maßnahmen würden bei ihnen „fortlaufend geprüft“. Dabei würden neben dem § 58a auch alle sonstigen in Betracht kommenden rechtlichen Instrumentarien genutzt.
Die Abschiebung Amris im Jahr 2016 scheiterte nach Darstellung der NRW-Behörden in Nordrhein-Westfalen an den zahlreichen Vorschriften in Deutschland und dem Widerstand Tunesiens. Amri habe wegen fehlender Papiere nicht in die Heimat zurückgeschickt werden können. Tunesien hatte Amris Identität bestritten. Für eine Inhaftierung und Abschiebung Amris nach Paragraf 58a waren nach Ansicht der damaligen rot-grünen Landesregierung die gerichtlichen Hürden zu hoch. Er sei damals ja nur als „kleiner Fisch“ eingestuft worden.
Das Land Niedersachsen hat zwei Gefährder nach Algerien und Nigeria abgeschoben. In der Praxis ist es aber für den Staat schwer, Gefährder loszuwerden. So waren die beiden Männer gegen die Abschiebung bis vor das Bundesverwaltungsgericht gezogen. In zwei Grundsatzurteilen gab das Gericht aber dem Land Niedersachsen recht. In Bremen wurde die Abschiebung eines russischen islamistischen Gefährders auf Veranlassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dagegen in letzter Minute gestoppt.
Nach Behördenberechnungen gab es im Sommer 2017 mehr als 120 ausländische islamistische Gefährder, die eigentlich Deutschland verlassen müssten. dpa