Brandschutz: Unbedingt aus London und Wuppertal lernen
Feuerwehren wollen mit einem konkreten Maßnahmenkatalog den Brandschutz verbessern
Düsseldorf. Der verheerende Brand von London und die Räumung des Hochhauses von Wuppertal werfen grundsätzliche Fragen nach der Brandsicherheit von Hochhausfassaden auf. Von einem Warnschuss spricht Reinhard Ries, leitender Branddirektor der Frankfurter Feuerwehr, die deutschlandweit als Vorreiter im Brandschutz bei höheren Gebäuden gilt. Er kritisiert, dass ein Großteil der Fachwelt, Politik und Industrie einfach Wärmedämmverbundsysteme für sicher erklärten. Dabei ist der in ihnen verarbeitete Polystyrolschaum für eine „rasante Brandausbreitungsgeschwindigkeit und enorme Rauchintensität“ verantwortlich — so steht es in einem Positionspapier Deutscher Feuerwehrverbände von Mitte Juni. Auf einer seit 2012 geführten, deutschlandweiten Liste haben die Feuerwehren mittlerweile 90 Brände mit elf Todesfällen verzeichnet, an denen der gefährliche Dämmstoff beteiligt war.
Ein Polystyrol-Verbot hält Dirk Aschenbrenner, Direktor der Dortmunder Feuerwehr, dennoch nicht für notwendig — wenn einige Schutz-Maßnahmen ergriffen würden (die auch das Positionspapier enthält). Er fordert, dass Fassadensysteme erst dann zugelassen werden, wenn sie den sogenannten Sockelbrandtest bestanden haben. Dieser simuliert realistische Feuer, wie sie zum Beispiel durch brennende Müllcontainer neben Gebäuden entstehen. Entsprechend dürfen, so Aschenbrenner, Container, Autos oder Sperrmüll nur mit einigem Abstand vom Gebäude abgestellt werden, müssen durch Wände getrennt sein, oder die Fassade im Erdgeschoss muss aus nichtbrennbaren Materialien wie Stein- oder Glaswolle bestehen. Schließlich setzt er sich für Brandriegel, Streifen aus nicht brennbarem Material, in jeder Etage ein.
Einen Brand wie den in London hält Aschenbrenner in Deutschland für nahezu ausgeschlossen, der Wuppertaler Fall aber habe gezeigt, dass es keine Sicherheit bei alten Gebäuden, Ausführungsfehlern oder Missachtung von Vorschriften gebe. Um künftige, noch unbekannte Gefahren auszuschließen, wünscht sich der Fachmann, dass Bauprodukte oder -verfahren bundeseinheitlich geprüft werden, bevor sie den Weg in die Praxis finden. dpa/mws