Buback-Urteil lässt viele Fragen offen
Stuttgarter Prozess gegen Verena Becker bringt ein Urteil, aber kaum Gewissheit. Vermutungen der Nebenklage unbewiesen.
Stuttgart. Strafprozesse sollen Schuld aufklären und sühnen. Historische Wahrheiten herausfinden, das können sie nicht, wenn Zeugen schweigen. Dies stellte am Freitag auch das Oberlandesgericht Stuttgart bei der Urteilsverkündung gegen die frühere RAF-Terroristin Verena Becker klar. Zwar wurde die heute 59-Jährige wegen des Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback vor 35 Jahren zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt — doch nur wegen „Beihilfe“. Wer Buback erschossen hat, das bleibt auch nach dem Prozess unklar.
„Wenn Beweise nicht reichen, sind die Grenzen der Wahrheitsfindung erreicht“, sagte der Vorsitzende Richter Hermann Wieland. Diese Worte waren vor allem an den Nebenkläger Michael Buback gerichtet. Der Sohn des Mordopfers vertritt die These, Becker selbst habe seinen Vater erschossen — und dies womöglich sogar im Auftrag des Verfassungsschutzes, der später dann seine schützende Hand über sie gehalten habe. Dies wies der Richter mit kühlen Worten zurück: Buback habe bei der Bewertung von Zeugenaussagen „wesentliche Umstände ausgeblendet und die Realität mit Wunschvorstellungen vermischt“.
Das Gericht kam zu dem eindeutigen Schluss, dass es jedenfalls nicht Becker selbst war, die am 7. April 1977 die tödlichen Schüsse auf Buback und seine zwei Begleiter abfeuerte. Weil Becker wenige Monate nach dem Attentat bei ihrer gemeinsamen Festnahme mit Günter Sonnenberg die Mordwaffe bei sich hatte, war der Verdacht schon früh auf sie gefallen.
Doch Haare und Sekretspuren an der bei dem Attentat benutzten Motorradkleidung stammten nicht von ihr. Becker wurde jetzt nur wegen „Beihilfe“ verurteilt — weil sie den Tod Bubacks auf einem Planungstreffen der RAF in den Niederlanden vehement gefordert haben soll.
Neues zum Ablauf des Attentats — die von Michael Buback eingeforderte „Wahrheit, was geschehen ist“ — brachte das Verfahren aber nicht. Fest steht nur, dass an jenem Gründonnerstag ein Motorrad mit zwei bis heute unbekannten RAF-Mitgliedern neben dem Wagen des Generalbundesanwalts anhielt. Dann wurde vom Sozius aus mit einem Schnellfeuergewehr gefeuert und Buback mit seinen Begleitern getötet.
Ob eine Frau auf dem Sozius saß, konnte laut Richter Wieland nicht festgestellt werden. Vielmehr hätten glaubhafte Zeugen angegeben, dass es sich bei der Motorradbesatzung um zwei Männer gehandelt habe.
Das Fazit des Richters nach 21 Monaten Verhandlung: Becker sei weder an der Tatvorbereitung noch an der Tat selbst beteiligt gewesen. Sie habe die Tat aber „gefördert“, weil sie die Mitglieder des Kommandos „in ihrem Tatwillen“ bestärkt habe.
Ob Becker trotz ihrer Haftstrafe überhaupt noch ins Gefängnis muss, blieb am Freitag zunächst unklar. Denn zweieinhalb der vier Jahre erklärte das Gericht für abgegolten — weil Becker schon wegen einer Schießerei bei ihrer Festnahme bis 1989 eingesessen hatte. Damit gelten bereits zwei Drittel der Haft als verbüßt.