Bundesregierung will schnell Rechtssicherheit für Beschneidungen
Berlin (dpa) - Nach einem internationalen Proteststurm gegen ein richterliches Beschneidungsverbot hat die Bundesregierung eine schnelle rechtliche Klarstellung versprochen.
„Verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen müssen in diesem Land straffrei möglich sein“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir wissen, da ist eine zügige Lösung notwendig, da kann nichts auf die lange Bank geschoben werden.“
Im Bundestag zeichnet sich ein breiter Konsens für eine Gesetzesinitiative zur Legalisierung von Beschneidungen ab. Die Union will das Thema auf die Tagesordnung der Bundestags-Sondersitzung in der nächsten Woche setzen und warb dafür, mit einer fraktionsübergreifenden Resolution ein Zeichen zu setzen.
Das Landgericht Köln hatte Ende Juni Beschneidungen als Körperverletzung gewertet und damit Empörung bei jüdischen und muslimischen Organisationen auch im Ausland hervorgerufen. Sowohl im Judentum als auch im Islam ist die Beschneidung von Jungen ein Ritual mit langer Tradition.
Die Bundesregierung hatte lange mit einer Reaktion gewartet. Wie genau eine Lösung aussehen könnte und wie schnell sie machbar ist, sagte Seibert nicht. Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dämpfte die Hoffnungen auf eine baldige Klärung. „Zu einem Rechtsstaat gehört auch, dass durch Einzelfallentscheidungen von Gerichten aufgetretene Rechtsunsicherheiten nicht von heute auf morgen beseitigt werden können“, teilte sie der Nachrichtenagentur dpa mit. „Das gilt sowohl für die Herausbildung einer einheitlichen bindenden Rechtsprechung als auch für die Neuregelung durch den Gesetzgeber.“
Die FDP-Politikerin hatte bereits zuvor deutlich gemacht, dass sie auch bei einem Gesetzesbeschluss damit rechne, dass das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort hat. Bei der rechtlichen Klärung geht es vor allem darum, die unabänderlichen Grundrechte auf freie Religionsausübung und körperliche Unversehrtheit in Einklang zu bringen.
SPD und Grüne wollen schnelle fraktionsübergreifende Gespräche zu einem Beschneidungsgesetz. „Das Warten auf das Bundesverfassungsgericht ist noch keine Haltung“, sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zeigte sich in der „Welt“ (Samstag) mit einer raschen gesetzlichen Regelung einverstanden. „Gerade im Hinblick auf einen verantwortungsvollen Vollzug dieser Rituale durch Ärzte muss es schnellstmöglich Rechtssicherheit geben“, sagte er.
Unionsfraktionschef Volker Kauder sprach sich in der Zeitung für die Verabschiedung einer fraktionsübergreifende Resolution zu dem Thema in der kommenden Woche aus. „Jüdisches und muslimisches Leben muss auch in Zukunft in Deutschland möglich sein. Dazu gehört auch die auf der religiösen Überzeugung beruhende Beschneidung von Knaben.“
Die Konferenz Europäischer Rabbiner hatte zuvor vor einem Ende des jüdischen Lebens in Deutschland gewarnt, falls das Kölner Urteil Bestand haben sollte. Auch der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte der dpa: „Wenn sich der Tenor des Gerichtsurteils bestätigt, würde jüdisches Leben in Deutschland wirklich auf Dauer unmöglich gemacht.“ Das müsse man ernst nehmen.