Der BND und die Drohnen
Deutsche sollen Handydaten von Wuppertaler Opfer an US-Dienste geschickt haben.
Berlin. Die Männer sitzen wohl gerade beim Abendessen, als die Bombe fällt. Am 4. Oktober 2010 beschießt eine US-Kampfdrohne das Gehöft in der pakistanischen Region Waziristan. Mehrere der Islamisten sind sofort tot, darunter auch der aus Wuppertal stammende Bünyamin E.
Der Angriff ist einer von gut 300 Angriffen, die die USA mit ihren ferngesteuerten Waffen im Nachbarland Afghanistans bisher verübt haben. Doch für die deutschen Sicherheitsbehörden sorgt diese Attacke für unangenehme Nachfragen. Denn Bünyamin E. (20) gilt als erstes Drohnen-Opfer mit deutschem Pass. Nach Medienberichten sollen die Handydaten des Mannes zuvor vom Bundesnachrichtendienst (BND) an US-Dienste weitergeleitet worden sein.
Nicht nur Menschenrechtsorganisationen sehen im Einsatz der unbemannten High-Tech-Waffen ein Kriegsverbrechen. Entsprechend empfindlich reagieren deutsche Behörden, wenn der Verdacht aufkommt, dass sie unter Umständen Beihilfe leisten an den Tötungen aus der Luft. Vor der Bundestagswahl bemüht sich der vom Kanzleramt beaufsichtigte BND spürbar um Offenheit, zumal der Geheimdienstkoordinator Ronald Pofalla (CDU) am Montag erneut vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur NSA-Spähaffäre aussagen wird.
Der BND sieht selbst nichts Bedenkliches daran, Mobilfunknummern von Terrorverdächtigen an US-Partner und andere ausländische Geheimdienste weiterzureichen. Diese Übermittlungspraxis gebe es bereits seit zehn Jahren, heißt es.
Reichen die Handynummern aus, um jemanden aus der Luft aufzuspüren und zu töten? Nein, sagt der BND. GSM-Mobilfunknummern seien für eine zielgenaue Lokalisierung nicht geeignet — wohl auch, weil die Sendemasten in der pakistanischen Provinz zur Peilung nicht dicht genug stehen. Informatikprofessor Hannes Federrath hält in der „Süddeutschen Zeitung“ dagegen: Wenn solche Daten über einen längeren Zeitraum erhoben würden, seien sie durchaus nützlich, um Personen zu orten. Zielgenau oder nicht — für die punktgenaue Erfassung dürfte die Satelliten-Macht USA eigene Systeme haben.
Die deutschen Sicherheitsdienste stecken in einem Dilemma: Die Bündnistreue zu den USA droht in einer Beihilfe zur gezielten Tötung zu enden. In den Verdacht eines Kriegsverbrechens möchte niemand geraten — aber ebenso wenig will man riskieren, mutmaßliche Terroristen aus den Augen zu verlieren. Gerade ausgebildete Gotteskrieger gelten als Gefahr, wenn sie nach Deutschland heimkehren.
So versieht der BND seine sensiblen Datenübermittlungen mit dem Hinweis, die Informationen dürften nicht dazu führen, dass gefoltert werde oder eine Verurteilung zum Tode erfolge. Fraglich ist jedoch, ob sich die kompromisslosen US-Terrorbekämpfer daran halten.