Der Doktortitel als „Karriere-Beschleuniger“
Akademische Ghostwriter liefern Dissertationen auf Bestellung.
Düsseldorf. In jedem Jahr promovieren rund 25 000 Studierende an Deutschlands Universitäten. Nicht wenige von ihnen wollen den akademischen Titel als „Karriere-Beschleuniger“ nutzen. Denn in vielen Bereichen von Industrie, Handel und Wirtschaft kann der Doktortitel durchaus ein Pluspunkt in der Vita sein, sagt Sörge Drosten, Geschäftsführer des Personalberatungsunternehmens Kienbaum Consultants. Auch in der Politik ist der Titel begehrt: Allein in der aktuellen Bundesregierung tragen — inklusive Kanzlerin Angela Merkel (CDU) — von 16 Kabinettsmitgliedern zwölf einen Doktortitel.
Doch nicht alle Doktoranden nehmen die Mühen der manchmal vier- bis sechsjährigen wissenschaftlichen Arbeit für eine Promotion auf sich. Sie lassen sich — gegen Bezahlung — von akademischen Ghostwritern unterstützen. Ein grauer Markt, auf dem inzwischen Millionenumsätze getätigt werden.
Das zeigt ein am Donnerstag bekannt gewordenes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf. Das hatte entschieden, ein Ghostwriter dürfe auf seiner Internetseite nicht damit werben, er sei „einer der Marktführer“ im Bereich des wissenschaftlichen Ghostwritings. Das von einem Berliner betriebene Unternehmen bietet an — wie zahlreiche andere Firmen auch — „Abschlussarbeiten zum Erwerb akademischer Grade für Dritte zu erstellen“, wie es das OLG formuliert.
Die Kosten, beispielsweise für eine Dissertation, liegen im fünfstelligen Bereich: ein Grundpreis von 3000 Euro plus 75 Euro pro Seite sind durchaus üblich. Für eine 450-seitige Dissertation wären also rund 36 750 zu zahlen. Hochschulabschlussarbeiten, Masterarbeiten oder Jura-Hausarbeiten sind mit 10 000 Euro deutlich preisgünstiger.
Doch während solche komplett fremdgeschriebenen Texte laut OLG eindeutig „verboten“ sind, sieht die Situation bei der teilweisen Übernahme fremder Texte anders aus. Für den Bonner Jura-Professor Wolfgang Löwer etwa ist entscheidend, ob sich dahinter eine Täuschungsabsicht verbirgt. „Sie müssen schlechte Wissenschaft und Täuschung auseinanderhalten“, sagte er. „Nicht in jedem Fall, wo eine Fußnote fehlt“ sei die Entziehung des Titels angezeigt, denn es könne „ja auch ein Sorgfaltsmangel ohne Täuschungsabsicht sein“.