Der Kandidat kämpft gegen die Zweifel
Steinbrück begeistert Delegierte in Augsburg. In 80 Minuten zielt er auf die Seele der SPD.
Augsburg. Wer am Rande des Augsburger SPD-Parteitags die Genossen fragt, wie sie diese Bundestagswahl bei dem Rückstand noch gewinnen wollen, bekommt zwei Hinweise: Auf die Niedersachsen-Wahl im Januar, bei der die Partei quasi in letzter Minute äußerst knapp die Mehrheit holte, und auf Dortmunds Sieg gegen Malaga in der Nachspielsieg.
Die Partei gibt die Hoffnung nicht auf, das ist die Botschaft aus Augsburg. Sie geht geschlossen in den Wahlkampf und zweifelt jetzt deutlich weniger an ihrem Spitzenkandidaten.
Peer Steinbrück, der bisher eher unglücklich agierende Herausforderer Angela Merkels, schafft diese Stimmung schon mit einem seiner ersten Sätze: „Ich will Kanzler der Bundesrepublik Deutschland werden.“ Angesichts der letzten Umfragen ist das mehr als selbstbewusst. Die 600 Delegierten staunen einen Moment — und lassen sich dann mitreißen.
Sie stehen auf, johlen und klatschen minutenlang. Die SPD im autosuggestiven Hoch. Am Ende der Ansprache, die trotz 80 Minuten Länge kaum Durchhänger hat, wiederholt sich das. Da geht Steinbrück offen auf die schlechte Umfragelage ein: „Ich weiß um diese Zahlen. Aber ich kenne auch die Wahlergebnisse der letzten Monate“, ruft er aus. Und dann listet er die Erfolge in den Ländern und Großstädten auf.
Ein regelrechter Jubelsturm bricht los. Die SPD-Ministerpräsidenten scharen sich auf der Bühne um den Kanzlerkandidaten. Eine Phalanx des Erfolges.
Steinbrücks Vorredner haben geholfen, diese Stimmung zu erzeugen. Sigmar Gabriel mit seinen scharfen Angriffen gegen Kanzlerin Angela Merkel, die er „Angela Mimikry“ nennt. Ihr politisches Rezept heiße „tarnen und täuschen“.
Und Gastrednerin Claudia Roth, die als erste grüne Parteichefin überhaupt auf einem SPD-Parteitag spricht und den Saal richtig rockt: „Für die Grünen kann ich euch versichern: Wir haben richtig Lust auf einen heißen Wahlkampf“, ruft sie aus.
Der Kandidat und Ex-Finanzminister der Großen Koalition schafft es vielleicht zum ersten Mal seit seiner politischen Wiederauferstehung das sozialdemokratische Herz zu rühren. Zweifel, ob er wirklich zum ziemlich links gestrickten Wahlprogramm passt, zerstreut er gründlich. „Er hat unsere Inhalte mit Verve und glaubwürdig vertreten“, sagt hinterher selbst ein Oberlinker wie Berlins Landeschef Jan Stöß.
Steinbrück gelingt das zum einem mit dem Satz, dass auch „wir Sozialdemokraten uns dem neoliberalen Zeitgeist nicht immer genug entgegengestemmt haben.“ Jeder versteht das als Selbstkritik, als Eingeständnis vergangener Irrtümer. Vor allem aber gibt sich der Spitzenkandidat als einer, der das Leben der kleinen Leute kennt und mitfühlen kann.