Etikettenschwindel — Kundenmelden Fälle an Onlineportal

Internetseite legt Täuschung auf Verpackungen offen. Branche kritisiert die Veröffentlichung als „Pranger“.

Berlin. Gleich am ersten Tag ist die neue Internetseite, auf der Verbraucher Lebensmittel mit irreführender Verpackung melden können, unter der Last der Anfragen zusammengebrochen. Es habe bis zu 20 000 Zugriffe pro Sekunde gegeben, teilte der Verbraucherzentrale Bundesverband mit. Stundenlang war die Seite lebensmittelklarheit.de nicht erreichbar.

In dem Portal können Kunden Produkte melden, durch deren Aufmachung sie sich getäuscht fühlen. Die Verbraucherschützer überprüfen die Hinweise, bitten die Hersteller um Stellungnahme und veröffentlichen anschließend Beschwerde, eigene Bewertung und Stellungnahme des Herstellers im Internet.

Zum Start stellten die Verbraucherschützer bereits zehn umstrittene Produkte ein, die Verbraucher in den vergangenen Wochen gemeldet hatten. In einem Fall hatte der Vertreiber eines Kaffees bereits reagiert und für Klarstellung gesorgt. Auch dies wurde bereits als Statusmeldung auf der Internetseite vermerkt.

Bei Vorstellung des vom Bund mit 775 000 Euro unterstützten Projekts sagte Gerd Billen, Chef des Verbraucherzentrale-Bundesverbands, das Vertrauen in die Lebensmittelbranche sei wegen umstrittener Produkte wie Analogkäse oder Klebeschinken angekratzt. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) erklärte, mit dem Portal wolle sie „einen seriösen Dialog zwischen Verbrauchern und Wirtschaft anstoßen und, wo nötig, Verbesserungen durchsetzen“.

Die Lebensmittelbranche kritisierte das neue Portal hingegen scharf. „Niemand darf durch eine öffentliche Zurschaustellung bestraft werden, wenn er sich an Recht und Gesetz hält“, sagte der Vorsitzende der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham. Es sei nicht akzeptabel, wenn eine andere, nicht legitimierte Instanz als Behörden und Gerichte darüber entscheide, „ob ein Produkt quasi mit amtlichem Anstrich öffentlich abgewertet wird“. Dies könne die Existenz von Unternehmen und Arbeitsplätzen bedrohen.

Ministerin Aigner hingegen verteidigte das Projekt, bei dem es um einen seriösen Dialog zwischen Verbrauchern und Wirtschaft gehe. „Dialog ist das Gegenteil von Pranger“, sagte sie.