EU erinnert an „Pflicht“ zur Vorratsdatenspeicherung
Berlin/Brüssel (dpa) - Deutschland ist nach Ansicht der EU-Kommission weiterhin verpflichtet, die umstrittene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Die Bundesregierung streitet seit Monaten über die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung.
Ein Kommissionssprecher sagte am Donnerstag in Brüssel: „Die Tatsache, dass die Kommission derzeit die Richtlinie überarbeitet, entlässt Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten keineswegs aus der Pflicht, die derzeit gültige Richtlinie korrekt umzusetzen.“
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist für die Neuregelung zuständig. Sie argumentiert aber, es sei den Bürgern in Deutschland nicht vermittelbar, eine EU-Richtlinie umzusetzen, die sich noch in der Überarbeitung befindet. Die Richtlinie sieht derzeit vor, dass die Telefon- und Internet-Verbindungsdaten aller Bürger mindestens sechs Monate und höchstens zwei Jahre lang pauschal zur Kriminalitätsbekämpfung gespeichert werden. Neben Deutschland haben auch mehrere andere EU-Staaten die Richtlinie nicht umgesetzt.
Deutschland droht nun eine Klage der EU-Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof. Eine Verurteilung könnte eine erhebliche Geldstrafe nach sich ziehen. In einem Schreiben vom 23. Dezember an die EU-Kommission, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, rechtfertigt die Bundesregierung ihr Verhalten: Darin heißt es, die EU-Richtlinie sei zumindest „teilweise“ umgesetzt worden. Ein weiterer Schritt zur Umsetzung sei der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Diskussionsentwurf des „Quick-Freeze“-Verfahrens. Danach sollen Daten nur nach konkreten Anhaltspunkten für eine Straftat gespeichert werden.
In dem Schreiben, über das auch die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ berichtete, wird auf zwei Ressortbesprechungen zu dem Diskussionsentwurf verwiesen - zuletzt auf eine vom 5. Dezember. „In dieser Ressortbesprechung konnten mehrere technische und rechtliche Fragen zwischen den beteiligten Bundesministerien geklärt werden“, heißt es in dem Schreiben. Die Bundesregierung gehe daher davon aus, dass die Beratungen zu dem Gesetzentwurf „auch weiterhin zügig vorangehen“ und „alsbald eine Befassung des Bundeskabinetts und der gesetzgebenden Körperschaften“ erfolgen könne.
Tatsächlich sind das Innen- und das Justizministerium aber weit von einer Einigung entfernt: Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und anderen Unionspolitikern geht „Quick Freeze“ nicht weit genug. Niedersachsen Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte im Sender NDR Info: „Die Praxis sagt, dass wir seit eineinhalb Jahren absolute Probleme haben, bei Schwerkriminalität auch erfolgreich zu sein, und insofern ist die Bundesjustizministerin absolut säumig. Ich wäre sehr froh, wenn wir sechs Monate speichern könnten.“
Am Dienstag war eine von der EU gesetzte Frist ausgelaufen. Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Ahrendt, mahnte, sich davon nicht bangemachen zu lassen. „Die EU-Kommission hat Niedersachsen beziehungsweise die Bundesrepublik Deutschland verklagt, weil das VW-Gesetz nicht europakonform ist. Wir würden deswegen nicht auf die Idee kommen, das VW-Gesetz in Deutschland zu ändern“, sagte er NDR Info.