EuGH kassiert deutsche Sprachtests für Ehepartner von Türken

Luxemburg (dpa) - Die Sprachtests für Ehepartner von in Deutschland lebenden Türken verstoßen gegen EU-Recht. Das hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entschieden.

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Seit 2007 müssen Männer oder Frauen, die ihren türkischen Ehepartnern nach Deutschland folgen wollen, grundlegende Deutschkenntnisse nachweisen. Dies soll die Integration fördern und Zwangsverheiratungen erschweren. Während die Türkische Gemeinde in Deutschland den Richterspruch bejubelt, kommt aus der CDU Kritik.

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Im Fall der Türkei verstießen die Sprachanforderungen jedoch gegen Vereinbarungen mit dem EU-Vorläufer Europäische Wirtschaftsgemeinschaft vom Beginn der 1970er Jahre, urteilten die Richter (Rechtssache C-138/13). Damals hatten beide Seiten vereinbart, dass die Niederlassung nicht erschwert werden dürfe.

Anlass des Luxemburger Richterspruchs ist eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Die Richter dort müssen den Fall entscheiden und baten ihre Kollegen in Luxemburg um Hilfe bei der Auslegung von EU-Recht. Eine türkische Frau möchte ihrem seit 1998 in Deutschland lebenden Mann folgen. Die Botschaft in Ankara lehnte ihre Anträge auf ein Visum jedoch immer wieder ab, da die Frau nicht über die nötigen Sprachkenntnisse verfüge. Nach deutschen Angaben ist sie Analphabetin.

Die deutsche Regelung stelle eine unrechtmäßige Beschränkung der mit der Türkei vereinbarten Niederlassungsfreiheit dar, erklärten die EuGH-Richter. Denn der Sprachnachweis für Angehörige könne türkische Staatsangehörige davon abhalten, sich in Europa niederzulassen. Ein Betroffener könne sich „zu einer Entscheidung zwischen seiner Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat und seinem Familienleben in der Türkei gezwungen sehen“.

Einschränkungen der Niederlassungsfreiheit könnten zwar gerechtfertigt sein, meint der EuGH. Allerdings müsse es dafür „einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses“ geben und die Auflagen dürften nicht unverhältnismäßig sein.

Der deutsche Staat verlange jedoch zu viel, so die Richter. Denn mangelnde Sprachkenntnisse verhinderten automatisch eine Familienzusammenführung, ohne dass der Einzelfall berücksichtigt werde.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) reagierte erfreut auf das Luxemburger Urteil. Der TGD-Vorsitzende Gökay Sofuoglu forderte die Bundesregierung auf, bei der Vergabe von Visa auf den Nachweis von Deutschkenntnissen künftig zu verzichten - und zwar nicht nur bei Türken sondern bei allen Ausländern. Stattdessen schlägt die TGD freiwillige Deutsch- oder Orientierungskurse vor.

Ähnlich äußerte sich die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung. „Für die Integration der Einwanderinnen und Einwanderer wird der Wegfall des Zwangstests keine negative Auswirkung haben“, sagte Staatsministerin Aydan Özoguz (SPD). „Mit den Integrationskursen haben wir seit 2005 leistungsfähige Instrumente geschaffen, um in Deutschland schnell, intensiv und nachhaltig Sprachkenntisse zu vermitteln.“ Fast eine halbe Million Einwanderer hätten bereits an diesen Kursen teilgenommen, allein im vergangenen Jahr seien es 51 630 Neuzuwanderer gewesen.

Das Bundesinnenministerium nahm das Urteil zur Kenntnis, zeigte sich aber enttäuscht. „Eine erfolgreiche Integration setzt Sprachkenntnisse voraus. Deswegen haben wir darauf bestanden, dass Ehegatten, die zu ihren Familien nach Deutschland kommen, um hier in Deutschland dauerhaft zu leben, zumindest einfache Sprachkenntnisse nachweisen müssen“, teilte der Parlamentarische Staatssekretär Günter Krings mit. „Dies halte ich auch nach wie vor für richtig.“

Auch der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses, Wolfgang Bosbach (CDU), bedauerte das Urteil. „Wer zumindest Grundkenntnisse der deutschen Sprache schon bei der Einreise hat, dem wird die Integration in unsere Lebensverhältnisse schneller gelingen, als demjenigen, der noch nicht einmal über einen geringen deutschen Wortschatz verfügt“, sagte er „Handelsblatt Online“.