Familien-Statistik: Sophie ganz allein zu Haus
Die Mehrkind-Familie wird immer seltener. Die Geburtenrate stagniert trotz aller Reformen.
Berlin. Obwohl für Familien jährlich direkt oder indirekt rund 200 Milliarden Euro ausgegeben werden, stagniert die Geburtenrate in Deutschland. Trotz aller staatlichen Hilfen steigt der Anteil der Frauen, die ganz kinderlos bleiben. Am Donnerstag präsentierte das Statistische Bundesamt in Berlin die neuen Zahlen, die die Geburtenstatistik 2012 und die Ergebnisse der Bevölkerungszählung berücksichtigen.
673 500 Kinder wurden 2012 in Deutschland geboren. Das waren ein Viertel weniger als im Jahr der Wiedervereinigung 1990 (905 700) und nur halb so viel wie im Rekordjahr 1964 (1,35 Millionen). Damals bekam jede Frau im Durchschnitt 2,5 Kinder. Jetzt ist die Geburtenrate auf 1,4 Kinder gesunken. Die Bevölkerungszahl wird weiter sinken, es sei denn, der Zuzug von Ausländern verstärkt sich. Oder es gibt eine höhere Geburtenhäufigkeit der verbliebenen Frauen. 2,1 wären nötig, um die Bevölkerungszahl zu halten. Bis 2020 rechnen die Statistiker damit, dass die jährliche Geburtenzahl so hoch bleibt wie jetzt. Dann aber kommen die geschwächten Jahrgänge in das entscheidende Alter.
Die Statistiker enthalten sich jeder Bewertung, doch geben Daten Hinweise. Frauen verschieben ihre erste Geburt auf einen immer späteren Zeitpunkt. Anfang der 70er Jahre waren sie 24 Jahre alt beim ersten Kind, jetzt sind sie im Schnitt 29 Jahre (im Osten 28 Jahre). Folge: Weil die Abstände zum nächsten Kind gleich lang bleiben (drei bis vier Jahre), reicht es zwar oft noch für ein zweites Kind, aber nicht für ein drittes. Zweiter Trend: Immer mehr Frauen bleiben kinderlos. Ihr Anteil ist unter den 40- bis 44-Jährigen auf 22 Prozent gestiegen. 1990 lag er bei elf Prozent. Ein Lichtblick: Bei den Akademikerinnen war die Kinderlosigkeit stets hoch, ebenso das Verschieben der ersten Geburt auf ein höheres Alter. Durch die Einführung des Elterngeldes, das auf diese Gruppe zielte, ist der Kinderlosenanteil etwas zurückgegangen. Dafür steigt er bei Nicht-Akademikerinnen.
Es ist ziemlich einsam zu Hause für Sophie und Luca (beliebteste Vornamen 2012). Von den 8,1 Millionen Familien haben 42 Prozent nur ein Kind, 43 Prozent zwei Kinder. Drei und mehr Kinder haben etwa 15 Prozent der Familien. Was früher als kinderreich galt, fünf oder mehr Kinder, kommt nur noch in jeder 100. Familie vor.
Sie werden die Koalitionsverhandlungen beeinflussen. So belohnt das zwischen Union und SPD umstrittene Ehegattensplitting die Kinderlosigkeit, die die Geburtenrate derzeit am meisten nach unten treibt. Die Idee eines Familiensplittings findet in der Statistik neue Argumente. Ebenso sind weitere Verbesserungen beim Elterngeld und der Kita-Ausbau sinnvoll. Auch der verabredete Rechtsanspruch auf eine befristete Teilzeit könnte ermutigen, früher und mehr Kinder zu bekommen. Schließlich gibt es erneut Argumente für einen erleichterten Zuzug nach Deutschland.
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