FDP-Politikerin Koch-Mehrin unter Plagiatsverdacht
Berlin (dpa) - Nach Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg ist auch die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin in Verdacht geraten, für ihre Doktorarbeit abgeschrieben zu haben.
Die Universität Heidelberg prüfe entsprechende Vorwürfe gegen die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, teilte eine Sprecherin am Dienstag mit.
Die FDP-Europapolitikerin ließ über ihren Sprecher in Brüssel ausrichten, sie wolle sich zu den Vorwürfen nicht äußern - und verwies auf die Universität Heidelberg.
Der einstige CSU-Hoffnungsträger Guttenberg muss derweil damit rechnen, dass ihn jemand aus den Reihen der Plagiats-Opfer anzeigt. „Ich werde Strafantrag gegen Herrn zu Guttenberg stellen“, zitiert die „Berliner Zeitung“ eine nicht namentlich genannte Person. Derzeit werde ein Strafantrag für die zuständige Staatsanwaltschaft Hof ausgearbeitet.
Zum Fall Koch-Mehrin sagte die Sprecherin der Uni Heidelberg: „Wir haben am Montag davon erfahren.“ Die philosophische Fakultät sei von der Internet-Plattform „VroniPlag Wiki“ über Anhaltspunkte informiert worden, die Arbeit stamme in Teilen nicht von Koch-Mehrin. Sollte sich der Vorwurf erhärten, müsse sich letztlich die „Kommission zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis“ damit befassen.
Laut „VroniPlag Wiki“ prüfen inzwischen mehrere Helfer die Doktorarbeit Koch-Mehrins. Die Europa-Politikerin der FDP soll auf mindestens 20 Seiten ihrer Arbeit „Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik“ abgekupfert haben. Mehrere Medien hatten die Vorwürfe gegen Koch-Mehrin zu Wochenbeginn aufgegriffen.
Die Schweizer Journalistin Klara Obermüller, die mit am stärksten von der Abschreiberei Guttenbergs betroffen war, sagte der dpa: „Ich bleibe dabei, dass ich nicht klagen werde. (...) Mir fehlt dazu die Zeit und die Motivation.“ In seiner Doktorarbeit hatte sich Guttenberg ohne Quellennennung auch aus einen Leitartikel Obermüllers in der „Neuen Zürcher Zeitung“ bedient. Dafür entschuldigte sich Guttenberg später.
„Damit war die Sache eigentlich für mich erledigt“, sagte Obermüller der dpa. Jetzt habe der Ex-Minister allerdings mit seinem Versuch, die Veröffentlichung eines Prüfberichts der Universität Bayreuth zu verhindern, „wieder ein neues Kapitel“ eröffnet, so die Journalistin und Schriftstellerin. Gäbe es so etwas wie eine Sammelklage in Deutschland, könnte das in diesem Fall Sinn machen, meinte sie.
„Man möchte gerne wissen, wie diese Arbeit zustande gekommen ist“, sagte der Liechtensteiner Politikwissenschaftler Wilfried Marxer, laut „Berliner Zeitung“ ebenfalls ein Plagiats-Opfer. Er will nun wissen, ob Guttenberg einen Ghostwriter hatte: „Die Frage ist nur noch, ob er selbst plagiiert hat, oder ob er jemanden hat plagiieren lassen. Beides wäre hochgradig unlauter und nicht standesgemäß.“
Ex-CSU-Chef Erwin Huber forderte zu Guttenberg auf, auf rechtliche Winkelzüge zu verzichten. „Karl-Theodor sollte konstruktiv und ohne juristische Finessen an der restlosen Aufklärung aller Vorwürfe mitwirken“, sagte Huber am Dienstag „Spiegel Online“. Aus seiner Sicht wird kein Weg daran vorbei führen, dass die Uni Bayreuth ihren Untersuchungsbericht veröffentlicht.
Die Uni Bayreuth räumte Guttenberg eine Erklärungsfrist bis zum 26. April ein, um sich zu den Ergebnissen der mit dem Fall betrauten Untersuchungskommission zu äußern. Sprecher Frank Schmälzle sagte, die Universität habe Guttenbergs Anwälte aufgefordert, ihre Vorbehalte gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse der Kommission zur Selbstkontrolle der Wissenschaft zu überdenken.
Die Wissenschaft insgesamt, die Öffentlichkeit und die Hochschule selbst hätten ein starkes Interesse daran, dass die Konsequenzen für die Einhaltung wissenschaftlicher Standards publiziert würden. Guttenbergs Anwälte wollen die Veröffentlichung des Berichts verhindern. Sie berufen sich dabei auf die Persönlichkeitsrechte des Ex-Ministers.
Obermüller kritisierte in der „Frankfurter Rundschau“ (Dienstag), Guttenberg habe „ein sehr eigenartiges Krisenmanagement und macht einfach alles falsch“. Sein Versuch, die Veröffentlichung zu verhindern, rieche stark nach Sonderrecht.