Frankreich fordert Milliarden für Jobs
Mailand (dpa) - Paris und Berlin sind im Kampf gegen die Job-Misere in den EU-Krisenstaaten auf Konfrontationskurs. Präsident François Hollande forderte beim EU-Beschäftigungsgipfel in Mailand eine Ausweitung der Mittel für mehr Jugendbeschäftigung auf 20 Milliarden Euro.
Kanzlerin Angela Merkel lehnte neues Geld zum jetzigen Zeitpunkt hingegen ab. Der Franzose pochte auf die neuen Mittel noch vor dem vom neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker angekündigten 300-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm.
Einigkeit herrschte nach den Beratungen der Staats- und Regierungschefs darüber, dass die bisher vorhandenen Mittel die Betroffenen schneller erreichen müssten.
Die EU-Spitzen waren nach Mailand gekommen, weil die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern Europas trotz zweier früherer Beschäftigungsgipfel ein riesiges Problem bleibt. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nannte die Jugendarbeitslosigkeit eines „der dramatischsten und bedrückendsten Phänomene unserer Zeit“. Und Hollande warnte: „Wenn wir es nicht schaffen, wird man sich von Europa abwenden.“
Die neue EU-Kommission unter Juncker steht damit vor großen Herausforderungen: Das angekündigte 300-Milliarden-Paket sei etwa für Ausbildungszentren und Digitalisierung auch in Schulen zwingend nötig, sagte Hollande. Parlamentspräsident Schulz machte deutlich, dass bei diesem geplanten Riesenpaket zur Ankurbelung der schwachen Konjunktur nicht nur bestehende Gelder umgewidmet werden dürften: „Wir brauchen in der Tat auch zusätzliches Geld.“ Öffentliche Investitionen seine eine „Überlebensfrage“ für die Wirtschaft.
Gegen die Job-Krise sollen zahlreiche Maßnahmen helfen, die in Europa inzwischen angestoßen worden sind - allen voran die Jugendgarantie. Sie soll Unter-25-Jährige binnen vier Monaten in Praktikum, Arbeit oder Ausbildung bringen. Dafür stehen bisher sechs Milliarden Euro und weitere große Summen aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bereit. Bislang wurde aber nur ein kleiner Teil der Mittel für die Betroffenen abgerufen.
Merkel äußerte sich nicht zu neuen Milliardenprogrammen. „Wir müssen investieren, ja, es ist aber auch ganz wichtig, dass wir wissen, wohin investieren wir“, so die Kanzlerin. Sie unterstützte hingegen den Kommissionsvorschlag einer neuen Europäischen Arbeitsvermittlung.
In der norditalienischen Metropole hatten zuvor auch die EU-Arbeitsminister über den Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit beraten. Für Deutschland machte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) deutlich: „Wir haben genügend Geld, was aber noch nicht bei den jungen Leuten angekommen ist.“ Es sei deswegen nicht sinnvoll, zum jetzigen Zeitpunkt einfach „mehr Geld“ zu schreien. Die Kommission müsse jetzt schnell die Mittel auch bewilligen. Es gehe darum, die Arbeit auf europäischer Ebene effektiver zu machen.
In Mailand trafen sich am Mittwoch auch die Chefs der Arbeitsagenturen. BA-Chef Frank-Jürgen Weise sagte der ARD: „Meine Erfahrung ist, dass es falsch ist, Geld auf ungelöste Probleme zu werfen.“
Der scheidende EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sprach sich für Reformen bei der Besteuerung von Arbeit und für flexiblere Arbeitsplätze aus. Der scheidende EU-Kommissionschef José Manuel Barroso forderte nachhaltige Strukturreformen.
Viel Lob erhielt der Gastgeber, Italiens Premierminister Matteo Renzi, für den eingeschlagenen Weg in seinem Land. Italien hat bis zum Ende des Jahres die EU-Ratspräsidentschaft inne. Ausgerechnet am Gipfeltag stand in Rom eine Vertrauensabstimmung über die in Italien umstrittene Arbeitsmarktreform an. Gegen das Vorhaben der Regierung gingen rund 2000 Menschen in Mailand auf die Straße. Vereinzelt kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei, die Sicherheitskräfte riegelten den Ort des Beschäftigungsgipfels ab und richteten eine Sperrzone ein.