85-jährig Früherer Bundestagspräsident Jenninger gestorben

Berlin (dpa) - Der frühere Bundestagspräsident Philipp Jenninger (CDU) ist tot. Er starb nach einer Mitteilung des Bundestags am Donnerstag im Alter von 85 Jahren.

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Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte am Freitag, Jenninger habe die deutsche Politik über viele Jahre in herausgehobenen Positionen maßgeblich mitbestimmt. Er habe ihn „als einen leidenschaftlichen Abgeordneten erlebt und ihn als überzeugten Demokraten sehr geschätzt“. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte, Jenninger habe sich in allen politischen Ämtern „als sachkundiger, integrer und überzeugter Parlamentarier“ erwiesen.

Jenninger gehörte dem Bundestag von 1969 bis 1990 an. Von 1984 bis 1988 war er dessen Präsident. Davor war der enge Vertraute von Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) zwei Jahre lang Staatsminister im Kanzleramt gewesen, wo er vor allem mit der Deutschlandpolitik betraut war.

In einer Feierstunde des Bundestags am 10. November 1988 zum Gedenken an die Opfer der anti-jüdischen Pogrome 50 Jahre zuvor hielt Jenninger eine missverständlich formulierte Rede. Er trennte nicht deutlich genug zwischen Zitaten aus der Zeit des Nationalsozialismus und eigenen Worten und löste damit einen Eklat aus. Abgeordnete von SPD, FDP und Grünen verließen aus Protest während der Ansprache den Plenarsaal. Auch international gab es eine Welle der Empörung. Jenninger zog am Tag darauf die Konsequenzen und trat zurück.

Die Kritik richtete sich vor allem gegen Passagen, in denen Jenninger die politischen Erfolge Hitlers in seinen ersten Amtsjahren hervorhob und in Frageform antisemetische Vorbehalte wiedergab. In der Rede hieß es unter anderem: „Die Jahre von 1933 bis 1938 sind selbst aus der distanzierten Rückschau und in Kenntnis des Folgenden noch heute ein Faszinosum insofern, als es in der Geschichte kaum eine Parallele zu dem politischen Triumphzug Hitlers während jener ersten Tage gibt.“

Zu seinem 70. Geburtstag 2002 sagte Jenninger der Deutschen Presse-Agentur über die Beweggründe für seine Rede: „Ich wollte den Jugendlichen in Deutschland aufzeigen, warum ihre Großeltern und Eltern damals „Heil Hitler“ geschrien haben.“ Niemand habe ihm bislang nachweisen können, dass er etwas Falsches gesagt habe.

Unterstützung erhielt Jenninger Jahre nach seinem Rücktritt vom Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis. Er sprach von einer „über weite Strecken hervorragenden Rede, einfach nur rhetorisch miserabel gehalten ... Wenn es nach uns gegangen wäre, hätte er nicht zurücktreten müssen.“ Bubis berichtete 1995 auch, dass er ganze Passagen Jenningers ein Jahr nach dessen Rücktritt in seiner eigenen Gedenkrede zur Pogromnacht in der Frankfurter Synagoge verwendet habe. „Kein Mensch hat's gemerkt.“

Schäuble sagte jetzt zum Rücktritt Jenningers: „Dass er 1988 nach einem schmerzhaften Missverständnis für sich politische Konsequenzen zog, zeigte sein großes Verantwortungsgefühl.“

Bei der Bundestagswahl 1990 kandidierte der aus Baden-Württemberg stammende CDU-Politiker nicht mehr. Er wurde von 1991 bis 1995 deutscher Botschafter in Österreich und anschließend bis 1997 Botschafter im Vatikan.

1997 geriet Jenninger noch einmal in die Schlagzeilen, als er für das Amt des Präsidenten des renommierten Stuttgarter Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) kandidierte. Nach heftigen Protesten von SPD und Grünen sowie von Vertretern aus Kunst und Kultur zog er seine Kandidatur zurück.