Gabriel: Steuerabkommen „Ohrfeige für Steuerzahler“
Berlin (dpa) - SPD-Chef Sigmar Gabriel hat das geplante deutsch-schweizerische Steuerabkommen als „Ohrfeige für jeden anständigen Steuerzahler und für den Rechtsstaat“ bezeichnet.
„Das Signal ist: Der Staat lässt sich kaufen. Wer reich genug ist, kauft sich Steuerfreiheit“, sagte Gabriel der WAZ-Mediengruppe. Der geplante Vertrag sei wirkungslos, weil er erst 2013 in Kraft treten solle. Bis dahin verstreiche so viel Zeit, „dass sich die Steuerflüchtlinge verdrücken können“.
Scharfe Kritik an den Sozialdemokraten kam von der FDP. Die SPD isoliere Deutschland mit einer „Anti-Schweiz-Rhetorik“. Das Steuerabkommen mit der Schweiz müsse jetzt beschlossen werden, „bevor das Verhältnis beider Nationen dauerhaft beschädigt wird“, sagte FDP-Fraktionsvize Volker Wissing „Handelsblatt Online“. Die SPD sei ein „außenpolitisches Sicherheitsrisiko“.
Wegen der Schweizer Haftbefehle gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen forderte der bayerische SPD-Chef und Bundestagsfaktionsvize Florian Pronold Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zum Handeln auf. „Außenminister Westerwelle sollte den Schweizer Botschafter einbestellen, um die deutsche Haltung klarzumachen. Das Vorgehen der Schweiz können wir nicht tolerieren“, sagte er der „Bild“-Zeitung (Mittwoch).
Der baden-württembergische Finanzminister Nils Schmid (SPD) warf der Schweiz vor, mit den Haftbefehlen die Verhandlungen über ein Steuerabkommen zu erschweren. „Wir waren in guten Gesprächen“, sagte Schmid der „Stuttgarter Zeitung“. „Umso bedauerlicher ist es, dass die Schweiz mit den Haftbefehlen in unnötiger Weise provoziert hat.“ Die SPD-Länder machen ihre Zustimmung zum Steuerabkommen davon abhängig, dass Altvermögen in der Schweiz zu höheren Sätzen nachversteuert werden, als das bisher geplant ist.
Schmid kritisierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), weil die Bundesregierung das Gesetzgebungsverfahren für das Steuerabkommen einleiten wolle, ohne sich mit den Bundesländern geeinigt zu haben: „Schäuble handelt auf eigenes Risiko“, erklärte Schmid.
Grünen-Chef Cem Özdemir warf Schäuble vor, ihn verlasse jeder Sinn für Rechtsstaatlichkeit, wenn es um den Schutz deutscher Steuerflüchtlinge in der Schweiz gehe. Zugleich attackierte er Koalitionspolitiker wie FDP-Generalsekretär Patrick Döring, der für das Schweizer Vorgehen gegen NRW-Steuerfahnder Verständnis geäußert hatte. „Völlig absurd an dem jetzt von Schwarz-Gelb geäußerten Verständnis für die Schweizer Haftbefehle für deutsche Steuerfahnder ist, dass die Steuer-CD einst noch unter einer schwarz-gelben Landesregierung in NRW angekauft wurden“, sagte Özdemir.
Die Fronten im Streit um das geplante Steuerabkommen hatten sich zuletzt immer weiter verhärtet. Die Opposition von SPD und Grünen kündigte am Dienstag festen Widerstand gegen das Abkommen an. Diesem zufolge sollen von 2013 an Erträge deutscher Anleger in der Schweiz mindestens genau so hoch besteuert werden wie in Deutschland. Auf Alt-Vermögen noch nicht entdeckter deutscher Bankkunden soll einmalig zwischen 19 und 34 Prozent an den deutschen Fiskus überwiesen werden. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben.
Linkspartei-Chef Klaus Ernst forderte im „Hamburger Abendblatt“ (Mittwoch) eine „echte europäische Steuerhinterziehungsbremse“. Dabei sprach er sich für ein gemeinsames Vorgehen mit anderen EU-Staaten aus. Schweizer Banken sollten demnach nur noch dann in Deutschland Geschäfte machen dürfen, wenn sie von sich aus mit den deutschen Steuerbehörden kooperieren. „Es gibt kein Grundrecht auf Steuerhinterziehung“, sagte er.
Die Schweiz hatte zuletzt Haftbefehle gegen drei Finanzbeamte erlassen, die im Februar 2010 am Ankauf einer CD mit Daten deutscher Steuerhinterzieher beteiligt gewesen sein sollen. Die Schweiz wirft ihnen Beihilfe zur Wirtschaftsspionage und Verstoß gegen das Bankgeheimnis vor.