Pendlerpauschale deckt immer weniger die Tankkosten
Berlin (dpa) - Die Befürworter in der schwarz-gelben Koalition für eine höhere Pendlerpauschale bekommen durch eine aktuelle Studie des Bundestags Auftrieb. Demnach müsste die Pauschale heute bei 74 statt bei 30 Cent liegen, um eine Entlastung wie noch 1991 zu erreichen.
Als Berechnungsgrundlage diente ein Arbeitsweg von 17 Kilometern. Die Berechnung des Wissenschaftlichen Dienstes war im Auftrag der Linken-Fraktion erstellt worden und liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Zunächst hatte die WAZ-Mediengruppe darüber berichtet. Vor 20 Jahren konnten die Bürger mit der von der Steuer abzusetzenden Pauschale noch 61 Prozent der Fahrtkosten zurückbekommen, 2004 waren es nur noch 40 Prozent.
Um zumindest die gleiche Entlastungswirkung bei den Fahrtkosten wie 2004 zu erreichen, müsste die Pendlerpauschale eigentlich bei 49 Cent liegen, wie eine Expertin des Bundestags ermittelte. Als Grundlage für die Berechnungen wurde ein Verbrauch von 3,4 Litern für die täglich 34 Kilometer (17 Kilometer hin- und zurück) und 220 Arbeitstage gewählt. Demnach betrugen die Fahrtkosten hierfür 1991 noch 505,57 Euro, 2004 waren es 846,74 Euro, 2011 schon 1138,46 Euro. Bei der Steuererklärung darf aber nur jeweils der einfache Weg, also 17 Kilometer bei den Werbungskosten geltend gemacht werden.
Während Kanzlerin Angela Merkel (CDU) trotz der derzeit höchsten Benzinpreise aller Zeiten die seit 2004 geltende Pauschale von 30 Cent nicht anheben will, ist Wirtschaftsminister und Vizekanzler Philipp Rösler (FDP) dafür. Auch CDU-Vize Norbert Röttgen, der sich in Nordrhein-Westfalen im Wahlkampf befindet, kann sich eine Anhebung vorstellen, auch aus der CSU wächst der Druck.
Den Staat kostete die Pendlerpauschale im vergangenen Jahr 4,4 Milliarden Euro. Eine Erhöhung der Pauschale um 10 Cent dürfte mindestens weitere 1,5 Milliarden Euro kosten. Sie wird unabhängig vom Verkehrsmittel gezahlt und ist daher nicht unbedingt nur als ein Instrument zur Unterstützung bei den Spritkosten anzusehen.
FDP-Generalsekretär Patrick Döring bekräftigte den Willen seiner Partei, in der Koalition eine Erhöhung der Pauschale durchzusetzen. „Nicht nur die Benzinpreise, auch die Eisenbahnpreise sind in den letzten zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen“, sagte er den „Ruhr-Nachrichten“ (Dienstag).
Das Bundesverfassungsgericht sage klar, wer besondere Aufwendungen habe, um einer Arbeit nachzugehen, solle diese von seinem zu versteuernden Einkommen abziehen können. „Die Erhöhung der Pendlerpauschale ist verfassungsrechtlich geboten“, sagte Döring. Die Wegekosten seien in den letzten zehn Jahren deutlich gestiegen. „Hier darf es nicht zu Steuernachteilen für Arbeitnehmer mit weiten Wegen kommen“, betonte der FDP-Generalsekretär.
Die Benzinpreise liegen derzeit bei rund 1,70 Euro je Liter Super. Die Deutsche Energie-Agentur, Umweltverbände und Energiefachleute halten von einer höheren Pendlerpauschale dennoch nichts, da diese Milliardenzuschüsse letztlich nur zu weiteren Preisrunden führen könnten. Sie fordern stattdessen einen Umstieg auf alternative Antriebe und spritsparendere Modelle oder den Nahverkehr.
Hubert Weiger, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) sagte am Dienstag in Berlin: „Wenn Vertreter von CDU/CSU und FDP oder aus Wirtschaftsverbänden wegen gestiegener Spritpreise die Entfernungspauschale anheben wollen, dann ist dies nichts als Populismus. Nie war die Pendlerpauschale so verkehrt wie heute.“ Die Zeit billigen Öls sei vorbei, für die Umwelt und für alle werde es immer teurer und riskanter, an die fossilen Treibstoffe zu kommen, sagte Weiger. „Kurzfristige Scheinlösungen, die als Wahlkampfhits dienen sollen, helfen da nicht weiter.“
Auch angesichts der seit Jahren wachsenden Spritpreise steigen die Menschen in Deutschland immer öfter in Busse und Bahnen. Die Statistik für 2011 weist 10,9 Milliarden Fahrten im Linienverkehr auf, so viele wie nie zuvor. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, stieg die Zahl der Fahrten im Vergleich zum Vorjahr um 0,5 Prozent. Jeder Einwohner Deutschlands sei 2011 durchschnittlich 134 Mal mit Bussen und Bahnen unterwegs gewesen. Überdurchschnittliches Wachstum gab es im Nahverkehr auf der Schiene: Regionalbahnen, S-Bahnen, Straßen- und U-Bahnen zählten 2,4 Milliarden Fahrgäste, ein Zuwachs von 2,3 Prozent.
Der Höhenflug bei den Benzinpreisen veranlasst auch viele Autofahrer inzwischen zum Umdenken. So achten angesichts der Rekordstände an den Zapfsäulen zwei Drittel auf einen möglichst spritsparenden Fahrstil, wie aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins „Stern“ hervorgeht. Vier von zehn Befragten erklärten zudem, derzeit auch öfter das Auto stehen zu lassen. 28 Prozent steigen demnach aufs Rad um oder nutzen stärker als bislang Bus und Bahn (15 Prozent).