Gauck fordert in Turin Reform des europäischen Asylsystems
Turin (dpa) - Die Staatsoberhäupter Deutschlands und Italiens haben eine gemeinsame europäische Politik in der Flüchtlingskrise gefordert. Die beiden Staatspräsidenten trafen sich im Rahmen des 2014 gegründeten deutsch-italienischen Dialogforums, das zur Verbesserung der Beziehungen beitragen soll.
Bundespräsident Joachim Gauck sagte bei einem Treffen mit dem italienischen Staatspräsidenten Sergio Mattarella am Abend in Turin: „Kein europäisches Land ist der gegenwärtigen Herausforderung durch die Flüchtlingskrise allein gewachsen. Mattarella betonte, Migrationsdruck, Instabilität an den Grenzen und Terrorismus erforderten „vollwertige gemeinschaftliche Anstrengungen“
Gauck sagte: „Hätten wir die Zeichen früher gedeutet, wir wären wohl zu der Erkenntnis gelangt, dass unser gemeinsames europäisches Asylsystem einer grundlegenden Reform bedarf. Notwendig sei auch ein „nachhaltiger Mechanismus zur Verteilung von Flüchtlingen“. Aus den Fehlern der Vergangenheit bei der Integration müsse gelernt werden. „Migration bringt auch Spannungen hervor. Wir müssen uns diesen Konflikten stellen“, sagte er.
Gauck räumte ein, dass die Finanzkrise ebenso wie die Flüchtlingsfrage die deutsch-italienischen Beziehungen belastet hätten. „Europa - und das gilt auch für Italien und Deutschland - sollte sich über den Weg aus einer Krise auch streiten dürfen“, sagte Gauck. „Wir sollten einander dabei aber gut zuhören.“ Beide Länder wüssten aus Erfahrung, „welch unersetzbares Gut die politische Einigung Europas ist und wie teuer sie erkauft wurde“, sagte Gauck.
Die beiden Staatspräsidenten trafen sich im Rahmen des 2014 gegründeten deutsch-italienischen Dialogforums, das zur Verbesserung der angespannten Beziehungen beitragen soll. An dem Treffen in Turin nahmen etwa 100 Politiker, Wirtschaftsvertreter und Experten teil.
In Italien war das Beharren der Bundesregierung auf einem rigiden Sparkurs in der Eurokrise immer wieder kritisiert worden. Auch bei den Problemen durch die Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer fühlte sich Italien lange allein gelassen. Die Zuneigung der Deutschen zu Italien sei ungebrochen, sagte Gauck. Daran änderten lebhafte Debatten nichts. „Es wäre auch ungewöhnlich, wenn wir immer einer Meinung wären.“
Mattarella sagte, Abschottung und Ängste seien keine Antwort auf Krisen. „Niemand ist eine Insel“, betonte er; auch Völker könnten keine Inseln sein. „Es gibt keine Alternative zum Prozess der progressiven Integration“. Mattarella kritisierte auch die österreichische Politik der Grenzschließung am Brenner. Ein Ende des Schengen-Systems der offenen Innengrenzen wäre für alle von Nachteil.