Wahlrechtsreform Lammert schlägt Höchstzahl für Bundestagsmandate vor - „etwa 630“
Der Bundestag könnte nach geltendem Wahlrecht auf 700 oder mehr Sitze anwachsen. Das will Parlamentspräsident Lammert verhindern. Die Fraktionen klopfen seine Vorschläge nun darauf ab, ob sie die eigenen Erfolgschancen mindern.
Berlin. Mit konkreten Vorschlägen zur Begrenzung der Bundestagsmandate hat Parlamentspräsident Norbert Lammert die Parteien in Zugzwang gebracht. Demnach sollte in einem reformierten Wahlrecht künftig eine Höchstgrenze festgelegt werden, die etwa der jetzigen Anzahl von Sitzen entspreche, sagte der CDU-Politiker am Mittwoch in Berlin. Eine „Kappungsgrenze“ könne bei der aktuellen Abgeordnetenzahl 630 liegen, aber auch etwas darunter oder darüber. In ersten Reaktionen äußerten die Fraktionen überwiegend Skepsis.
Direkt gewonnene Mandate müssten auf jeden Fall erhalten bleiben, betonte Lammert. Wegen möglicher verfassungsrechtlicher Risiken sollte das Grundgesetz entsprechend ergänzt werden. Falls der Gesetzgeber die Möglichkeit einer Höchstsitzzahl und eine Kappungsgrenze verankere, liege es nahe, etwa auch die Sperrklausel - aktuell fünf Prozent - abzusichern.
Der Bundestag kann sich durch Überhang- und Ausgleichsmandate vergrößern. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt als ihr nach ihrem Zweitstimmen-Anteil zustehen. Lammert dringt schon seit längerem auf eine Wahlrechtsreform zur Begrenzung dieser zusätzlichen Mandate. In Modellrechnungen würden derzeit 700 und mehr Sitze für möglich gehalten - die Wähler wüssten also bei der Stimmabgabe nicht, über wie viele Mandate sie überhaupt entscheiden, sagte er am Mittwoch.
Zu den Erfolgsaussichten seines Vorstoßes noch in der Ende 2017 zu Ende gehenden Wahlperiode äußerte sich Lammert zurückhaltend. In Gesprächen hätten ihm die Fraktionschefs „selbstverständlich überhaupt nichts zugesichert“. Die Reform noch in dieser Legislatur sei aber möglich. „Wir haben noch ein ganzes Jahr Zeit.“
Der Bundestagspräsident betonte, weil für eine Verfassungsänderung Zweidrittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat notwendig seien, hätten kleinere Parteien auch Einfluss auf das Verfahren. „Für mich gehört das Wahlrecht zu den Dingen, die man möglichst im Konsens gestaltet und möglichst auch im Konsens ändert.“
Eine entsprechende Passage im Grundgesetz könnte laut Lammert wie folgt ergänzt werden: „Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl nach den Grundsätzen einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl gewählt.“ Damit würde weder die Höhe der Mandatszahl noch der Sperrklausel in der Verfassung stehen, dies sollte dann per Bundesgesetz näher bestimmt werden.
Lammert sagte, mit wachsender Anzahl der Sitze verbessere sich nicht die Funktionsfähigkeit des Parlaments. Auch deshalb habe der Gesetzgeber 1996 die Sollgröße auf 598 Mitglieder festgelegt. „Es wäre gut, wenn es einen Mechanismus gäbe, der das begrenzen könnte“, sagte Lammert über die immer weiter ausufernde Mandatszahl.
Dass eine Reform kleinere Parteien nicht benachteiligen dürfe, machten die oppositionellen Grünen und Linken deutlich. Die grüne Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: „Einem Vorschlag, der das Wahlergebnis anschließend nicht abbildet, dem wollen wir nicht zustimmen.“ Lammerts Pläne müsse man „als Vorschlag der Union bezeichnen“. Auch Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch meinte, die Union wäre „nach Lage der Dinge die begünstigte Partei“. Die Diskussion solle weitergeführt werden - „nicht mit Blick auf eine Lösung zur Wahl 2017, sondern für die übernächste Wahlperiode“.
Eine Sprecherin der Unionsfraktion sagte lediglich: „Wir prüfen das.“ Nach Ansicht von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann ist eine Reform noch vor der Wahl 2017 eher unwahrscheinlich. „Ich bin skeptisch, ob die Vorschläge noch in dieser Legislatur umgesetzt werden können.“ dpa