Flüchtlinge Großrazzia gegen Schleusernetzwerk: Gerüchte befeuern Flucht

Essen/Berlin (dpa) - Die Bundespolizei hat mit einer groß angelegten Razzia einen international agierenden Schleuser-Ring gesprengt. Fast 600 Beamte durchsuchten am Mittwoch in NRW, Niedersachsen und Baden-Württemberg zeitgleich Gebäude an 24 Orten und nahmen sieben Beschuldigte fest.

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Die Schleuser sollen für bis zu 10 000 Euro pro Person Libanesen und Syrer mit gefälschten Reisedokumenten und Aufenthaltserlaubnissen ausgestattet sowie ihre Einreise in Deutschland mit Flugzeugtickets organisiert haben.

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Der 24-jährige Hauptbeschuldigte wurde in Essen verhaftet, wie die Staatsanwaltschaft Hildesheim und Bundespolizeidirektion Hannover mitteilten. Ein Hubschrauber der Einsatzkräfte kreiste in den frühen Morgenstunden über der Ruhrgebietsstadt, schwer bewaffnete Uniformierte hielten Maschinenpistolen im Anschlag.

Sechs weitere Beschuldigte wurden vorläufig festgenommen, um ihre Identitäten auf dem Revier festzustellen, sagte der Einsatzleiter der Bundespolizei, Helgo Martens, nach der Aktion. Weitere zehn Beschuldigte befinden sich nach Angaben der Bundespolizei bislang auf freiem Fuß.

Die Bande soll im Detail falsche Ausweise besorgt, Urkunden gefälscht und Ausländer gewerbsmäßig eingeschleust haben. Für ihre Dienste hätten sie „horrende Summen verlangt“, berichtete Einsatzleiter Martens. Einzelne Libanesen und Syrer kostete die illegale Einreise demnach 10 000 Euro, Familien mussten bis zu 90 000 Euro zahlen.

„Diese Summen zeigen, dass immer mehr kriminelle Netzwerke sich auf die Schleusungskriminalität fokussieren, weil dort viel Geld zu machen ist“, betonte er. Von den Menschen hätten die Schleuser eine Bezahlung per Vorkasse verlangt. Manche Geschleuste seien in Transitstaaten aufgeflogen.

Bei den Beschuldigten geht die Polizei von besonders skrupellosen Tätern aus: Bei den Durchsuchungen wurden „griffbereite Macheten, Schwerter und Kampfmesser“ gefunden. Auch Munition für Handfeuerwaffen, eine Laserzieleinrichtung für ein Gewehr und illegale Böller wurden sichergestellt.

Die Bundesregierung hatte Ende August eine Aufklärungskampagne gestartet, um den Menschen in den wichtigsten Herkunftsstaaten und Transitländern ein realistisches Bild über die Situation in Deutschland zu vermitteln. Viele Menschen machten sich mit falschen Erwartungen auf den Weg, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. Vor der Botschaft in Beirut werden wartende Flüchtlinge inzwischen regelmäßig per Megafon über falsche Gerüchte aufgeklärt. In Afghanistan soll demnächst eine Plakataktion starten.

Zu den Gerüchten, die in sozialen Netzwerken kursieren, gehört unter anderem die Behauptung, Deutschland stelle jedem Flüchtlingen ein Haus zur Verfügung. An der Gerüchteküche beteiligen sich auch Schlepper, die in ihren Werbefilmchen auch schon einmal Geldautomaten zeigen, um zu suggerieren, in Deutschland komme jeder schnell zu Wohlstand.

Es sei nicht ganz klar, woher die Gerüchte stammten, ob sie immer zweifelsfrei von Schleuser gestreut seien, sagt Carsten Wieland, Leiter des Deutschlandzentrums in Kairo. „Aber es ist sicher klar, dass einige Menschen Geschäfte damit machen, wenn sie Versprechungen machen“, erklärt er. Es könne fatale Konsequenzen für Flüchtlinge haben, wenn sie ihre Reise auf Unwahrheiten aufbauten.

In Kabul machen Gerüchte die Runde, die Deutschland erteile geflüchteten Afghanen nach kurzer Zeit die Staatsbürgerschaft. „Die meisten Menschen wollen nach Deutschland, weil Angela Merkel angekündigt hat, dass Deutschland die Flüchtlinge aufnimmt“, sagt der 52-jährige Arif, der ein Reisebüro in der Nähe des Passamtes hat. Auch glauben viele Flüchtlinge die haltlose Behauptung, Deutschland habe versprochen, in diesem Jahr 800 000 Afghanen aufzunehmen.