Grüne bieten Union die Stirn
Berlin (dpa) - Die Grünen haben ihre Regierungsbereitschaft erklärt und zugleich die Hürde für eine schwarz-grüne Koalition mit Forderungen nach mehr Flüchtlingshilfe erhöht. Beide Seiten gehen angespannt in das Sondierungsgespräch am Donnerstag.
Dabei liegen vor allem CSU und Grüne im Clinch.
Die neue Führungsspitze der Grünen-Bundestagsfraktion versprach den Bürgern am Mittwoch in Berlin mit Blick auf die herben Verluste der Partei bei der Wahl einen Neuanfang und einen „Aufbruch zu neuen Ufern“. Ökonomie und Ökologie müssten stärker miteinander verbunden werden. Die neue Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt betonte: „Dafür brauchen wir Verbündete.“ Sowohl in der Zivilgesellschaft als auch in der Wirtschaft, sagte sie.
Gemeinsam mit dem neuen Co-Fraktionsvorsitzenden Anton Hofreiter kritisierte sie Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU), der sich trotz der Flüchtlingskatastrophe vor der italienischen Insel Lampedusa gegen einen neuen europäischen Verteilungsschlüssel wehrt. Die CSU schlage wieder „Das-Boot-ist-voll-Töne“ an, sagte Göring-Eckardt. „Ernsthafte Gespräche kann man sich nur vorstellen, wenn sich diese Position ändert.“
Die Union schickt 14 Unterhändler in das Gespräch. Die Grünen kommen mit acht Politikern. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte eine ernsthafte Sondierung zu, stimmte die Grünen aber auf eine selbstbewusste Union ein. Die Bürger hätten keinen Politikwechsel gewählt, mahnte sie. Hofreiter sagte allerdings zur schleppenden Energiewende und Klimapolitik der Kanzlerin: „Wenn wir so weitermachen, bleiben die Ökosysteme nicht dauerhaft stabil.“ Deutschland müsse ökologischer, gerechter und moderner werden.
Göring-Eckardt betonte: „Wir sind bereit und in der Lage, auch Regierungsverantwortung zu übernehmen.“ Und: „Wir haben hier keine roten Linien markiert.“ Es gehe aber um die Frage: „Kommt man an den für uns zentralen Punkten zusammen.“ Das seien der Klimaschutz und eine freie und offene Gesellschaft. Sie betonte, sie sei skeptisch.
CSU-Chef Horst Seehofer bekennt sich seit Tagen offen zu schwarz-roten Koalitionsverhandlungen. Hofreiter sagte: „Es genügt nicht, dass es in einer Dreier-Koalition nur zwei Partner wollen.“
Die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn sagte in der Sendung „Phoenix Runde“ über Schwarz-Grün: „Zum jetzigen Zeitpunkt halte ich das für Kamikaze.“ Das neue grüne Führungspersonal müsse zunächst Erfahrungen sammeln, ohne durch eine schwierige Regierung belastet zu werden. Sie sehe derzeit in der Union auch nicht die Beweglichkeit, die nötig sei, um eine solche Koalition argumentativ vier Jahre zu stützen.
Die neue Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, sagte, für die Grünen sei die Rolle als kleinste Fraktion eine Herausforderung, sich als eigenständige Kraft zu behaupten. Bei einer großen Koalition hätten Linke und Grüne zusammen 127 von 631 Sitzen und könnten damit nicht einmal einen Untersuchungsausschuss durchsetzen. Die Grünen wollen im Fall einer so kleinen Opposition die Wahrung der Minderheitenrechte prüfen lassen.
Die Grünen-Basis im grün-rot regierten Baden-Württemberg hält nicht viel von einer Koalition mit der Union im Bund. Einige Kreisverbände sind strikt dagegen, für andere ist es schlichtweg zu früh, ergab eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. „Schwarz-Grün stößt auf sehr wenig Gegenliebe“, sagte etwa Susanne Häcker vom Kreisvorstand des Reutlinger Kreisverbandes. „Das passt einfach nicht.“ Als Streitpunkte werden vor allem die Integrations- und Bildungspolitik sowie die Energiewende genannt. Das Liebäugeln des grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann mit Schwarz-Grün sehen die Kreisverbände mit gemischten Gefühlen.