In Deutschland fehlen noch 220 000 Kita-Plätze
Berlin (dpa) - Die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz zum 1. August 2013 steht in vielen Regionen noch in den Sternen - gleich wie gezählt wird. Wegen des schleppenden Ausbaus fordert der Städte- und Gemeindebund bereits Abstriche.
Knapp neun Monate vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf ein Betreuungsangebot für unter Dreijährige gibt es weit weniger Krippenplätze als bisher angenommen. Laut neuen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes fehlen bundesweit noch 220 000 Plätze, um zum 1. August 2013 die gesetzliche Garantie auf ein Betreuungsangebot einlösen zu können. Bislang waren Experten aufgrund der Ländermeldungen von nur rund 130 000 noch fehlenden Kita-Plätzen ausgegangen.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) verlangte von den Bundesländern Aufklärung über die unterschiedlichen Zahlen. Eine Verschiebung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz lehnte sie strikt ab. „Am Rechtsanspruch wird nicht gerüttelt“, betonte sie am Dienstag. Nordrhein-Westfalens Familienministerin Ute Schäfer (SPD) sprach von einem „bereits überholten Zahlenwerk.“ In Wirklichkeit sei der Ausbau in den vergangenen Monaten bereits viel weiter gegangen.
Zum Erhebungsstichtag am 1. März gab es laut Statistik für 27,6 Prozent der unter Dreijährigen ein staatlich gefördertes Angebot - entweder in einer Krippe oder bei einer Tagesmutter. Benötigt werden aber nach neuen Bedarfsprognosen Angebote für 39 Prozent der Kinder dieser Altersgruppe. In den ostdeutschen Ländern werden zum Teil heute schon Betreuungsquoten von über 50 Prozent erreicht.
Bundesweit angestrebt werden 780 000 Plätze, von denen laut Bundesamt bereits knapp 560 000 existieren. 84,6 Prozent der Betreuungsangebote erfolgen an Krippen oder Kitas, 15,4 bei Tagesmüttern. Bund, Länder und Kommunen hatten ursprünglich angestrebt, 30 Prozent der Angebote mit Hilfe der wesentlich kostengünstigeren Tagesmüttern zu organisieren.
Angesichts des schleppenden Ausbaus sprach sich der Städte- und Gemeindebund dafür aus, den Betreuungsanspruch durch ein Stufenmodell aufzuweichen - etwa zunächst nur die Zweijährigen einzubeziehen. „So könnte der Kita-Ausbau vorangetrieben und gleichzeitig der Gefahr begegnet werden, bei den betroffenen Eltern falsche Erwartungen zu schüren“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Online-Ausgabe des „Handelsblatts“.
Schröder sagte hingegen: „Ich sehe nicht ein, dass wir die Eltern mit der Verschiebung des Rechtsanspruches bestrafen sollen, bloß weil manche politisch Verantwortlichen den Kita-Ausbau zu lange nicht ernst genommen haben.“ Länder und Kommunen hätten seit 2007 genug Zeit gehabt, den Bedarf rechtzeitig zu ermitteln und sich um den Bau zu kümmern“. „Wer jetzt überrascht ist vom Rechtsanspruch, der hat schlicht fünf Jahre geschlafen“, meinte Schröder. Die ab August nächsten Jahres geltende Garantie sei das stärkste Mittel, um mehr Tempo in den Ausbau zu bringen.
Der Präsident des Deutschen Städtetages, Christian Ude (SPD), forderte Bund und Länder auf, die Kommunen beim Ausbau der Kita-Plätze stärker zu unterstützen. Wegen der von den Kommunen befürchteten Klagewelle auf Schadensersatz bei fehlenden Kita-Plätzen müsse der Gesetzgeber ganz schnell pragmatische Lösungen anbieten, sagte Ude im ARD-„Morgenmagazin“. Die Kommunen hätten den Ausbau von Kita-Plätzen schon vorangetrieben, als er in den Länderparlamenten noch für „Teufelszeug“ gehalten worden sei, sagte Ude. Auch hätten sich die Bundesländer nicht gerade mit Ruhm bekleckert bei der Weitergabe der Fördermittel.
Unterdessen machten Bund und Länder den Weg frei für den weiteren Kita-Ausbau. Die vom Bund verlangte und von den Ländern heftig kritisierte monatliche Berichtspflicht über den Stand des Ausbaus sei nun auf vier Termine reduziert worden, sagte Baden-Württembergs Kultusstaatssekretär Frank Mentrup (SPD) der Nachrichtenagentur dpa. „Jetzt kann das Geld ab dem 1. Januar für den weiteren Ausbau von Kita-Plätzen fließen.“ Der Bund stellt den Ländern rund 580,5 Millionen Euro für weitere 30 000 Plätze bereit.
Hannover Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) forderte, die für das Betreuungsgeld vorgesehenen 1,2 Milliarden Euro den Kommunen für den Kita-Ausbau zur Verfügung zu stellen. „Beim Kita-Ausbau müssen Bund, Länder und Kommunen endlich zusammenarbeiten statt gegeneinander. Die Kommunen dürfen nicht einfach im Regen stehen gelassen werden“, sagte der niedersächsische SPD-Landeschef der Nachrichtenagentur dpa.