Interview Jürgen Trittin hält die FDP für nicht sondierungsfreundlich

Berlin. Nach den ersten Sondierungen in großer Runde über eine „Jamaika“-Koalition ist der Grünen-Unterhändler Jürgen Trittin eher skeptisch.

Grünen-Unterhändler Trittin bei Jamaika-Verhandlungen skeptisch. Archivbild.

Foto: Peter Steffen

Mit dem linken Flügelmann sprach unser Korrespondent Stefan Vetter:

Herr Trittin, ist man einer Jamaika-Koalition nach den ersten Sonderungen näher gekommen oder nicht?

Jürgen Trittin: Es gibt in zentralen Politikfeldern sehr große Differenzen. Das ist mit den jüngsten Gesprächen deutlicher geworden. Wir kennen die Differenzen besser — davon werden sie nicht kleiner. In der Frage der Klimapolitik zum Beispiel waren alle anderen Parteien dezidiert anderer Meinung als die Grünen. In der Frage der Asyl- und Migrationspolitik war das genauso.

Die Grünen wollen konkret die 20 schmutzigsten Kohlekraftwerke sofort vom Netz nehmen und ab 2030 keine neuen Benzin- und Dieselfahrzeuge mehr zulassen. Muss das 1:1 in einer Koalitionsvereinbarung stehen, bevor Ihre Partei da mitmacht?

Jürgen Trittin: Wir wollen, dass Deutschland seine eigenen Klimaschutzziele bis 2020 auch einhält. Das setzt voraus, den CO2-Ausstoß noch um weitere 120 Millionen Tonnen zu senken. Die von uns genannten Kohlekraftwerke machen allein 90 Millionen Tonnen aus. Wenn eine andere Partei andere Vorschläge in dieser Größenordnung hat, dann hören wir uns die gern an. Bisher ist da aber nichts gekommen. Außer der allgemeinen Versicherung, für die Klimaschutzziele einzustehen.

Das Ziel, den C02-Ausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, wäre aber doch wohl selbst bei einer grünen Regierungsbeteiligung nicht mehr realistisch, oder?

Jürgen Trittin: Es wird jeden Tag schwieriger. Mit unserem Maßnahme-Katalog wollen wir diesem Ziel möglichst nahe kommen. Dafür braucht es aber wirklich wirksame Instrumente. Und da ist die Auswahl nicht allzu groß. Weshalb von der Union und der FDP nichts kommt. Nur Aussitzen wird es mit den Grünen nicht geben.

Keine Schulden sowie Steuerentlastungen, das ist das Credo der CSU. Machen die Grünen da mit?

Jürgen Trittin: Beides zusammen geht nicht. Wenn man den Solidarzuschlag abschaffen würde, wie CSU und FDP das fordern, hätte das in einem Jahr 18 Milliarden Euro an Steuerausfällen zur Folge. Das ist praktisch unmöglich. Wir sagen, wenn entlasten, dann für kleine und mittlere Einkommen und nicht für den Direktor oder Chefarzt, die bei einer Streichung des Solis den größten Vorteil hätten. Für die Grünen haben allerdings Investitionen Priorität.

Andererseits haben Grüne und CSU in den letzten Tagen offenbar viele sozialpolitische Gemeinsamkeiten entdeckt. Hat Sie das überrascht?

Jürgen Trittin: Es gibt dringenden Handlungsbedarf, das kann auch die CSU nicht mehr ignorieren. Wir fordern zusätzlich 25.000 Pflegekräfte und Investitionen im Pflegebereich. Ich begrüße, dass die CSU in dieselbe Richtung denkt. Und offenbar ist die CSU auch der Auffassung, den sozialen Mietwohnungsbau deutlich auszuweiten. Dieser erfreuliche Sinneswandel scheint Folge ihres Desasters bei der Bundestagswahl zu sein.

Wie konkret muss das von den Grünen geforderte Ergebnispapier der Sondierungen ausfallen, um es der Basis auf einem Parteitag vorzulegen?

Jürgen Trittin: Alle sind der Auffassung, dass die Sondierungen die wesentlichen Konfliktpunkte klären müssen. Allgemeine Formulierungen nach dem Muster, wir bekennen uns zum Klimaschutz, werden dafür nicht reichen. Das muss man schon mit Maßnahmen unterlegen.

Für wann erwarten Sie Klarheit darüber, ob es zu Koalitionsverhandlungen kommt?

Jürgen Trittin: Angesichts des Verhaltens der FDP könnte diese Klarheit noch länger auf sich warten lassen. Bei aller Gegensätzlichkeit haben sich Union und Grüne in der ersten großen Sondierungsrunde zumindest aufeinander bezogen und miteinander hart gestritten. Bei der FDP kam nur das eigene Wahlprogramm zur Verlesung. Sonderlich sondierungsfreundlich fand ich dieses Verhalten nicht.