Generalbundesanwalt Justizminister trennt sich von Generalbundesanwalt Range
Karlsruhe/Berlin (dpa) - In der Affäre um Landesverrats-Ermittlungen gegen Journalisten muss Generalbundesanwalt Harald Range seinen Posten räumen.
Justizminister Heiko Maas (SPD) kündigte nach schweren Vorwürfen von Range gegen die Bundesregierung an, der Generalbundesanwalt werde wegen Vertrauensverlustes in den Ruhestand versetzt. Das sei mit dem Kanzleramt von Angela Merkel (CDU) abgesprochen und solle noch am Abend beim Bundespräsidenten beantragt werden. Als Nachfolger an der Spitze der Bundesanwaltschaft schlug Maas den Münchner Generalstaatsanwaltschaft Peter Frank vor.
Oppositionspolitiker hatten zuvor von Maas und der Bundesregierung mehr Transparenz gefordert. Die Linke brachte sogar einen Untersuchungsausschuss ins Spiel, die Grünen verlangten „umfassende Information“ in einer Sondersitzung des Bundestags-Rechtsausschusses.
Range hatte Maas am Morgen politische Einflussnahme auf die Justiz im Zuge der Ermittlungen gegen zwei Blogger von Netzpolitik.org vorgeworfen. Er habe Anweisung bekommen, ein externes Gutachten sofort zu stoppen und den Auftrag zurückzuziehen, sagte er in Karlsruhe. „Auf Ermittlungen Einfluss zu nehmen, weil deren mögliches Ergebnis nicht opportun erscheint, ist ein unerträglicher Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz.“ Er sei der Weisung aber nachgekommen.
Maas erklärte: „Die Äußerungen und das von Generalbundesanwalt Range heute gewählte Vorgehen sind nicht nachvollziehbar und vermitteln der Öffentlichkeit einen falschen Eindruck.“ Es sei mit ihm am Freitag gemeinsam die Rücknahme des Gutachtenauftrags verabredet worden - und zwar ohne Kenntnis des möglichen Inhalts. Das Vertrauen in Ranges Amtsführung sei „nachhaltig gestört“.
Range sagte, der externe Sachverständige sei in einer vorläufigen Bewertung zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den am 15. April veröffentlichten Dokumenten tatsächlich um ein Staatsgeheimnis handele. Diese Bewertung habe er dem Ministerium am Montag „unverzüglich“ mitgeteilt. Daraufhin habe er die Weisung erhalten.
Netzpolitik.org hatte im Februar und April über Verfassungsschutz- Pläne berichtet, Online-Netzwerke stärker zu überwachen. Dazu stellten die Journalisten vertrauliche Unterlagen ins Netz. Der Verfassungsschutz erstattete Anzeige. Range leitete ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats gegen zwei der Blogger ein und gab ein externes Gutachten in Auftrag.
Die Ermittlungen Ranges wurden vielfach als Angriff auf die Pressefreiheit gerügt. Blog-Betreiber Markus Beckedahl sprach in der „Bild“-Zeitung von Einschüchterungsversuchen Ranges. Maas ging bereits am Freitag auf Distanz zu seinem Chefermittler. Merkel ließ am Montag ihre ausdrückliche Unterstützung für Maas mitteilen.
Dagegen zeigte der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach Verständnis für Range: „Die ministerielle Weisung, das bereits in Auftrag gegebene Gutachten auf halbem Weg zu stoppen, ist nicht unproblematisch“, sagte er der „Welt“. Der Deutsche Richterbund (DRB) erklärte, Maas untergrabe das Vertrauen der Öffentlichkeit in objektive Strafverfolgung.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz kritisierte Range und den Justizminister: Maas müsse „schlüssig darlegen, warum er nicht zeitiger und deutlicher zum Schutz der Pressefreiheit eingeschritten ist“. Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann verlangte, für eine umfassende und umgehende Information des Bundestages sollten Maas, Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen im Rechtsausschuss Fragen beantworten. Linksparteichef Bernd Riexinger sagte, falls die Regierung nicht ihren Teil zur Aufklärung der Affäre beitrage, werde man über einen Untersuchungsausschuss nachdenken müssen.
1993 musste Generalbundesanwalt Alexander von Stahl seinen Hut nehmen. Grund war der GSG-9-Einsatz in Bad Kleinen, bei dem der RAF-Terrorist Wolfgang Grams ums Leben kam. Danach war die Stelle acht Monate vakant, bis Ranges Vor-Vorgänger Kay Nehm sein Amt antrat. Range selber war erst nach wochenlanger Hängepartie im November 2011 Generalbundesanwalt geworden, da die damalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) eigentlich einen anderen Kandidaten bevorzugte.