Kardinal Woelki: Richtungskampf im Kölner Dom

In seinem Erzbistum hat Kardinal Woelki schon viele Sympathien gewonnen. Doch auf ihn warten große Aufgaben.

Kardinal Woelki: Richtungskampf im Kölner Dom
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Köln. Man hätte in jenem Moment gern das Gesicht des Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Gerhard Ludwig Müller, gesehen. Müller saß am Samstag unter den Ehrengästen bei der Amtseinführung des neuen Kölner Erzbischofs Rainer Maria Woelki und musste dort wortlos mit anhören, wie Sylvia Löhrmann — stellvertretende Ministerpräsidentin von NRW (Grüne) und Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken — von der Kanzel des Kölner Doms aus gleichsam die reformierte katholische Kirche ausrief.

Die Offenheit, für die Rainer Maria Woelki als Erzbischof in Berlin gestanden habe, passe „zu einer neuen modernen katholischen Kirche, wie Papst Franziskus sie versteht“, sagte Löhrmann. Dabei gehe es unter anderem um die Rolle der Frau in der Kirche, um alternative Partnerschaftsformen und den Dialog mit anderen Religionen. Somit hatte die Grünen-Politikerin Kardinal Woelki vor den Augen und Ohren des obersten katholischen Glaubenswächters unmissverständlich dem Lager der Reformer zugerechnet.

Der atmosphärische Wandel im Dom war bei diesem Pontifikalamt fast mit Händen zu greifen. So wurde ungewöhnlich viel gelacht und geklatscht — etwa, als der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, zum Alterzbischof Joachim Meisner sagte: „Langweilig war es mit dir nie!“

Was Woelki betraf, waren es weniger seine Aussagen selbst, als die bescheidene Art seines Auftretens, die den Beginn einer neuen Zeit anzukündigen schien. Einmal hatte er vergessen, sich die Bischofsmitra wieder aufzusetzen, und musste erst daran erinnert werden. Von der kleinen Szene ging die Botschaft aus: Der Pomp des Amts scheint diesem schlaksigen Mann lästig zu sein. „Kirche ist keine geschlossene Gesellschaft“, sagte er.

Eine Stunde vor Beginn des Pontifikalamts saß Woelki noch mit einem Kaffee in der Hand beim Obdachlosenfrühstück. Als er am Donnerstag mit Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zusammentraf, bat er um eine erleichterte Familienzusammenführung syrischer Flüchtlinge. Damit ist er dabei, sich als guter Mensch von Köln zu etablieren.

Doch erwarten die meisten Katholiken eindeutig mehr. Das Erzbistum hat es vor einem Jahr in einer Umfrage selbst dokumentiert: Wenn es um wiederverheiratete Geschiedene, schwule Partnerschaften oder Sex vor der Ehe geht, dann ist es nicht etwa so, dass nur eine Mehrheit der praktizierenden Katholiken mit der Lehre der Kirche nichts anfangen kann. Nein, es gibt inzwischen fast niemanden mehr, der hier noch auf der offiziellen Linie liegt. In einer modernen Großstadt wie Köln wirken die Standpunkte der Kirche häufig verstörend.

Ob es Woelki gelingt, die Zahl der Kirchenaustritte zu verringern und wieder neues Leben in die vielen vergreisten Gemeinden zu bringen, dürfte deshalb wesentlich von den bevorstehenden Bischofssynoden in Rom zu Fragen wie Scheidung, Abtreibung und Schwulenehe abhängen. Präfekt Müller hat sich dafür schon in Stellung gebracht: Er ist gegen jede Aufweichung der Lehre. Sollten sich Müller und seine Gesinnungsbrüder durchsetzen, könnte Woelkis Herde in einigen Jahren noch einmal kleiner geworden sein.