Karlsruhe setzt Gentechnik in Landwirtschaft Grenzen
Karlsruhe (dpa) - Der Anbau von Genpflanzen bleibt in Deutschland streng reglementiert. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte in einer am Mittwoch verkündeten Entscheidung das geltende Gentechnikgesetz.
Sowohl das Standortregister für Gentechnikfelder als auch die weitreichende Haftungsregelung seien mit dem Grundgesetz vereinbar. Danach müssen Landwirte zahlen, wenn gen-veränderte Pollen ein Nachbarfeld verunreinigen - und zwar unabhängig davon, ob sich der konkrete Verursacher nachweisen lässt (Az.: 1 BvF 2/05).
Die Umweltverbände feierten die Entscheidung als Sieg. „Ich kann gar nicht so viel strahlen, wie ich mich freue“, sagte Heike Moldenhauer, Gentechnik-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Das Gericht treffe die Meinung von mehr als 85 Prozent der Deutschen. Entscheidend ist für sie der Hinweis, dass die Gentechnik die natürlichen Lebensgrundlagen bedrohe und die Politik deshalb besondere Sorgfalt walten lassen müsse. „Das kann man gar nicht stark genug herausstellen“, pflichtete Felix Prinz zu Löwenstein bei, Vorstandsvorsitzender des Bundes Ökologische Landwirtschaft.
Nach Ansicht des Deutschen Bauernverbandes bedeutet die Entscheidung das Ende des kommerziellen Gentechnik-Anbaus. „Wir können den Landwirten weiterhin nur davon abraten.“ Dagegen zeigte sich der Beiratsvorsitzende des Biotechnologie-Verbandes InnoPlanta, Sachsen-Anhalts ehemaliger Wirtschaftsminister Horst Rehberger, überzeugt: „Deutschland kann es sich nicht leisten, dauerhaft den Anschluss zu verlieren.“
Die Verfassungsrichter ermahnten die Politiker, sie dürften es beim Thema Gentechnik nicht bei einer einfachen Kosten-Nutzen- Rechnung belassen. Sie seien auch „in der Verantwortung, für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen“. Mehrfach verwiesen sie darauf, dass die Gentechnik in die elementaren Strukturen des Lebens eingreife, und die Folgen wohl nur schwer wieder rückgängig zu machen seien. Deshalb müsse beim Aussäen und Vermarkten gentechnisch veränderter Produkte „größtmögliche Vorsorge“ getroffen werden.
Dazu zählen die Richter auch das umstrittene Standortregister, mit dem sich die Öffentlichkeit gezielt über die Anbauflächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen informieren kann. Den Einwand, dass Gentechnik-Gegner die Felder dadurch schnell finden und zerstören könnten, ließen sie nicht gelten. Solche Aktionen habe es bereits vor dem Register gegeben; die Verfolgung dieser Straftaten sei Sache der Polizei. Der Geschäftsführers der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie, Ricardo Gent, forderte daraufhin, dass die Politik diese Zerstörungen endlich ernst nehmen müsse.
Auch die sogenannte verschuldungsunabhängige Störerhaftung ist nach Auffassung des Gerichts angemessen. Demnach haften Gentechnik- Landwirte auch dann für Verunreinigungen auf benachbarten Feldern - etwa durch herumfliegende Pollen -, wenn sie alle Sorgfaltspflichten eingehalten haben. Die Haftungsregelung sei eine Grundlage für ein „verträgliches Nebeneinander konventioneller, ökologischer und mit dem Einsatz von Gentechnik arbeitender Produktionsmethoden“. Zudem garantiere diese Regelung, dass sowohl Landwirte als auch Verbraucher wirklich wählen könnten zwischen gentechnisch veränderten und naturbelassenen Produkten.
Staatssekretär Robert Kloos vom Verbraucherschutzministerium sieht die Vorgaben der Bundesregierung bestätigt. Gleichzeitig kündigte er an, die Regelungen zur Grünen Gentechnik würden weiterentwickelt. Die schwarz-gelbe Koalition plant unter anderem, den Ländern bei den Genehmigungen für den Anbau von Genpflanzen mehr Freiheiten einzuräumen. Auch die FDP-Abgeordnete Christel Happach-Kasan will das Gesetz forschungsfreundlicher gestalten. „Politiker sollten Ängste ernst nehmen, sich aber nicht von ihnen treiben lassen.“
Dagegen warnte die SPD die Regierung davor, die Vorschriften an anderer Stelle zu lockern. Sie müsse die vom Gericht gesetzten Schranken akzeptieren, sagte die verbraucherpolitische Sprecherin Elvira Drobinski-Weiss.
„Ich bin überzeugt, dass wir trotzdem die qualifizierte Forschung an unseren Standorten halten können“, sagte Andreas Schaper aus dem Wirtschaftsministerium Sachsen-Anhalt. Die damalige schwarz-gelbe Landesregierung hatte die Klage angestoßen. Den Forschungsinstituten im Land sollte die wirtschaftliche Verbreitung ihrer Gentechnik- Produkte erleichtert werden.