Koalitionsstreit um Kassenüberschuss
Die FDP pocht auf die Abschaffung der Praxisgebühr. Aus der Union kommen Forderungen nach Senkung des Beitragssatzes.
Berlin. Ungeachtet der Mahnungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) streitet die Koalition weiter über die Verwendung des Milliarden-Überschusses bei den gesetzlichen Krankenkassen. Die FDP pochte am Wochenende massiv auf der Abschaffung der Praxisgebühr.
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) stellte dagegen den Versicherten eine Beitragssenkung von 0,1 Prozentpunkten in Aussicht — für den Einzelnen eine Entlastung von maximal 1,91 Euro pro Monat. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will vor allem den Steuerzuschuss für die Krankenkassen reduzieren.
Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) mahnte zu „Vorsicht, Achtsamkeit und Zurückhaltung“. Würden alle derzeit kursierenden Vorschläge umgesetzt, wäre von dem Geld bald gar nichts mehr da, sagte Singhammer. Angesichts möglicher Zukunftsbelastungen müsse man es aushalten können, auch mal eine Weile mit Überschüssen zu leben.
Medienberichte über Konturen einer Einigung wurden am Wochenende vom Gesundheitsministerium, Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wie auch von Singhammer entschieden dementiert. „Die Gespräche laufen noch. Es ist noch nichts entschieden“, sagte eine Sprecherin von Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) in Berlin.
Damit wurden Medienberichte über eine Einigung dementiert. Demnach sollte ein kleinerer Teil des Überschusses an den Bundeshaushalt abgetreten werden. Zugleich solle der Beitragssatz spätestens zum 1. Januar 2013 um 0,1 Punkte auf dann 15,4 Prozent sinken. Schwarz-Gelb hatte erst Anfang 2011 den Krankenkassen-Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 Prozent erhöht.
Die Bundesjustizministerin sagte, die Abschaffung der Praxisgebühr „würde den Versicherten direkt zugutekommen“. Zudem habe die Gebühr nicht die erhoffte Steuerungswirkung erbracht. „Wir liegen nach wie vor mit durchschnittlich 18 Arztbesuchen (pro Kopf) im Jahr im europäischen Spitzenbereich.“
FDP-Generalsekretär Patrick Döring verwies auf die Abmachung im Koalitionsvertrag, die Praxisgebühr zu entbürokratisieren. Döring: „Ich kann mir keine schönere Entbürokratisierung vorstellen als die Komplettabschaffung.“ Die Praxisgebühr sei auch bei den Ärzten unbeliebt, weil sie zu viel Bürokratie führe.
Ein Sprecher der Barmer-Ersatzkasse kritisierte Überlegungen zur Senkung der Beiträge wie der Steuerzuschüsse. „Angesichts steigender Ausgaben und dem baldigen Auslaufen wichtiger Spargesetze sind die Planspiele der Politik unseriös.“ Die Pläne brächten den Versicherten fast nichts, gefährdeten aber gleichzeitig den Finanzhaushalt der Krankenkassen.
Eine Senkung der Beiträge um 0,1 Prozentpunkte würde Arbeitgeber und Versicherte um insgesamt eine Milliarde Euro entlasten. Die Praxisgebühr bringt jährlich zwei Milliarden Euro ein.