Lammert geht in die Offensive

Der CDU-Politiker wehrt sich gegen Vorwürfe, seine Doktorarbeit sei ein Plagiat.

Berlin. Norbert Lammert (CDU) bekam am Dienstag sogar von der Opposition Rückendeckung. Er warne davor, die „Reputation und Integrität des Bundestagspräsidenten“ zu beschädigen, ließ SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück wissen. Und der Parlamentsgeschäftsführer der Grünen, Volker Beck, sagte unserer Zeitung: „Wir sollten bei der Aufregung einen Gang zurückschalten.“ Erst müsse der Sachverhalt geklärt werden. „Auch für Politiker gilt zunächst einmal die Unschuldsvermutung.“

Hat Lammert an 42 Stellen seiner 224 Seiten umfassenden Promotion wissenschaftlich nicht korrekt gearbeitet? Ergeht es ihm jetzt wie den Ex-Ministern Annette Schavan (CDU), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) oder den FDP-Politikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis, die allesamt wegen Plagiatsaffären ihre Ämter verloren haben?

Bewiesen ist nichts. 1974 hatte Lammert seine Arbeit „Lokale Organisationsstrukturen innerparteilicher Willensbildung — Fallstudie am Beispiel eines CDU-Kreisverbandes im Ruhrgebiet“ bei der Uni Bochum eingereicht, 1975 wurde er promoviert. „Einen erheblichen Teil der als verwendet angegebenen Literatur hat er ganz offenbar nicht gelesen; dies wird insbesondere anhand der Übernahme zahlreicher charakteristischer Fehler aus der Sekundärliteratur deutlich“, wirft ihm nun ein Blogger unter dem Pseudonym „Robert Schmidt“ auf der Internetseite lammertplag.wordpress.com vor. Er ist auch der Aktivist, der die Plagiatsvorwürfe gegen die ehemalige Bildungsministerin Schavan aufbrachte — am Ende folgte ihr Rücktritt. Bei den 42 Stellen, die „Schmidt“ als „Unregelmäßigkeiten“ bezeichnet, „handelt es sich vorwiegend, aber nicht ausschließlich um Plagiate“, so der Blogger.

Das sind herbe Vorwürfe. Der Bundestagspräsident, protokollarisch der zweite Mann im Staate, muss nun um seinen guten Ruf kämpfen. Er weiß: Plagiats-anschuldigungen können eine Dynamik entfalten, die ihn womöglich aus Amt und Würden fegt. Lammert ging deshalb rasch in die Offensive. Er rief den Rektor der Uni Bochum an und bat ihn um eine Prüfung. Die Ruhr-Universität reagierte prompt und setzte ein entsprechendes Verfahren in Gang.

Lammert selbst teilte mit, er habe „seine Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen verfasst“. Inzwischen hat er sie auf seiner Homepage veröffentlicht, damit sich jeder „einen eigenen und vollständigen Eindruck von der Dissertation“ verschaffen könne, hieß es aus Lammerts Umfeld.

Der 64-Jährige gilt parteiübergreifend als moralische Instanz und kluger Redner. Seine ausgeglichene und auch humorvolle Amtsführung im Parlament findet breite Zustimmung.

norbert-lammert.de lammertplag.wordpress.com