Parteitag Linke will wieder in die Offensive kommen - nur wie, bleibt offen
Magdeburg. Zum Abschluss gibt es doch noch so etwas wie Aufbruchstimmung. Die Linken feiern Sahra Wagenknecht mit rhythmischem Beifall, als wäre sie die unumstrittene Nummer Eins der Partei.
Das ist die Fraktionschefin keineswegs. Aber nach ihrer rhetorisch gelungenen Rede sind zumindest für den Moment alle Probleme vergessen, die die Linke umtreiben muss. Wagenknecht hat die soziale Gerechtigkeit beschworen, das "neoliberale System" für das Erstarken der AfD verantwortlich gemacht und der SPD kräftig die Leviten gelesen. Das brachte den Saal zum Kochen. Soviel innerparteiliche Solidarität mit der linken Frontfrau war noch nie. Allerdings gibt es auch eine hässliche Vorgeschichte.
Schon zum Auftakt des Delegiertentreffens wollte auch Linkenchef Bernd Riexinger die AfD "auf den Müllhaufen der Geschichte" verfrachten, als ein paar Meter vor dem Rednerpult das Chaos ausbrach. Ein 23jähriger Aktivist aus Sachsen-Anhalt war wie aus dem Nichts aufgetaucht und hatte Sahra Wagenknecht mit einer Schokoladen-Torte attackiert. Schockstarre machte sich breit. Wagenknecht wurde sofort aus dem Saal geführt. Die Partei stellte Strafanzeige.
Urheber des Eklats war eine selbsternannte "Antifaschistische Initiative", die Wagenknecht auf Flugblättern einer flüchtlingsfeindlichen Politik nach dem Muster der Rechtspopulisten bezichtigte. "Ebenso wie die Vertreter der AfD ist Wagenknecht stets darum bemüht, den Volkszorn in politische Forderungen zu übersetzen", hieß es da.
Zweifellos hatte Wagenknecht mit Äußerungen über Kapazitätsgrenzen für Flüchtlinge auch parteiintern heftige Kritik ausgelöst. Doch in ihrer Rede verlor sie kein Wort mehr darüber. So erwies sich der Tortenwurf eben auch als Debattenkiller. "Wagenknecht ist jetzt in einer Märtyrer-Rolle", meinte ein Delegierter. Erinnerungen an einen Vorfall aus dem Jahr 1999 wurden wach. Seinerzeit hatte ein Chaot dem damaligen Außenminister Joschka Fischer auf einem Grünen-Parteitag wegen des umstrittenen Balkan-Einsatzes der Bundeswehr einen Farbbeutel an den Kopf geworfen.
Das schweißte die Reihen für Fischer zusammen. Und genauso kam es auch bei Wagenknecht. "Diese Tortenaktion war nicht nur ein Angriff auf Sahra. Das war ein Angriff auf uns alle", meinte Co-Chefin Katja Kipping. Dabei hatte sie kürzlich mit Blick auf Wagenknecht sogar noch vor einer "AfD light" gewarnt.
In einem mit großer Mehrheit verabschiedeten Leitantrag wurde die AfD als "völkischer Mob" charakterisiert. Aber wie der linke Aufschwung nun genau funktionieren soll, bleib im Dunkeln. Stattdessen gab es viele klassenkämpferische Einlagen. Die Welt können nur als "demokratischer, internationaler Sozialismus erneuert werden", meinte Kipping. Man stehe für einen "grundlegenden Bruch mit der neoliberalen Politik", eine "Revolution der sozialen Gerechtigkeit", donnerte Riexinger. Auch bei den Parteichefs bekamen mögliche Verbündete ihr Fett weg. Einen "Totalausfall" nannte Kipping die SPD. Riexinger schimpfte über die Grünen als "Regierungsreserve der CDU". Die Linke - eine Partei gegen alle.
Nachdenkliche Stimmen gab es eher selten. "Mir sind manche Antworten zu einfach", erklärte etwa Susanne Henning-Wellsow, Landesparteichefin in Thüringen. "Wir haben nicht die Mehrheit, um Abschiebungen zu verhindern". Doch müsse man alle politischen Handlungsmöglichkeiten nutzen und auch "Widerprüche aushalten".
Dafür gab es auch Buhrufe. Selbst altgediente Genossen wie Hans Modrow, einst Ehrenvorsitzender der vormaligen PDS, taten sich mit der revolutionären Lyrik der Parteispitze schwer: "Mit dem Gerede erreichen wir unsere Mitglieder nicht".
Wie zum Beweis fuhren Kipping und Riexinger dann auch magere Ergebnisse bei ihrer Wiederwahl zum Führungsduo ein. Obwohl es keine Gegenkandidaten gab, lagen sie deutlich unter den Prozentzahlen, die man noch vor zwei Jahren erzielt hatte. Bei Riexinger dürfte auch das schlechte Abschneiden der Linken bei der Landtagswahl am 13. März in Baden-Württemberg eine Rolle gespielt haben - er war dort ihr Spitzenkandidat.
Man dürfe sich "nicht in die Mutlosigkeit und Krise hineinreden lassen", gibt Wagenknecht ihrer Partei am Ende noch mit auf den Weg. Die Genossen hören es gern.