Mehr als jede zweite Rente 2012 unter 700 Euro
Berlin (dpa) - Fast jede zweite Rente in Deutschland liegt unter 700 Euro - und bleibt damit unter dem Niveau der Grundsicherung. Bei den Neurentnern trifft dies sogar für knapp 55 Prozent zu, bestätigte die Deutsche Rentenversicherung Bund Berechnungen der „Bild“-Zeitung.
Danach erhielten im vergangenen Jahr 48,2 Prozent aller Alters- und Erwerbsunfähigkeitsrentner weniger aus der Rentenkasse als jene Summe, die Senioren im Schnitt als Grundsicherung im Alter inklusive Miete und Heizung zusteht.
Nach Darstellung von Bundesregierung und Rentenversicherung liefern die Zahlen keinen Hinweis auf einen Anstieg der Altersarmut in Deutschland. Nach wie vor seien lediglich zwei Prozent der Altersrentner über 65 Jahren neben ihrer Rente auf zusätzliche Grundsicherung im Alter angewiesen. „Die Rentenhöhe alleine kann keine Auskunft über die Einkommenslage von Rentnerhaushalten geben“, stellte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund fest.
So lag 2003 der Anteil der neuen Ruheständler, die eine gesetzliche Rente von weniger als 700 Euro erhielten, bei 56,9 Prozent - also deutlich über dem Wert von 2012. Dass so viele Renten unter 700 Euro liegen, führen die Fachleute der DRV hauptsächlich darauf zurück, dass Versicherte nur kurze Zeit in die Rentenkasse eingezahlt haben: etwa Selbstständige und Hausfrauen, aber auch Beamte, die ihr Berufsleben als Angestellte starteten.
Laut dem Alterssicherungsbericht 2012 der Bundesregierung werden geringe Rentenbeträge „in der Regel“ durch das Einkommen des Ehepartners oder aus anderen Sicherungssystemen ausgeglichen. Der Studie zufolge liegt das durchschnittliche Nettoeinkommen von Ehepaaren bei im Schnitt knapp 2400 Euro, das von Alleinstehenden bei gut 1400 Euro.
Für den arbeits- und sozialpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Karl Schiewerling (CDU), ist eine Rente von weniger als 700 Euro „kein Indiz für wachsende Altersarmut“. Zur gesetzlichen Rente kämen „in den meisten Fällen Betriebsrenten, Pensionen und Renten von Versorgungswerken“ hinzu. Viele Senioren bezögen ergänzende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder aus Lebensversicherungen. Witwen hätten meist neben kleinen eigenen Renten zusätzliche Einkünfte aus Hinterbliebenenrenten.
Dagegen äußerte Linkspartei-Chef Bernd Riexinger scharfe Kritik. „Das Prinzip Rente für Lebensleistung wird zur Farce. Das reichste Land Europas drückt die Hälfte der Rentner unter Sozialhilfeniveau.“ Für Riexinger ist das eine Folge von Fehlentscheidungen wie den Eingriffen in die Rentenformel und die Entkoppelung der Renten von den Löhnen.
Besonders hoch ist der Anteil der Renten unter 700 Euro bei Altersrentnerinnen im Westen mit rund 73 Prozent. Bei Erwerbsunfähigen, die 2012 in Frührente gingen, lag die Quote zwischen 57,25 Prozent (Männer West) und 69,2 Prozent (Männer Ost). Viele von ihnen verdienen deshalb auch im Ruhestand noch Geld dazu.
Im Herbst 2012 zählte die Bundesagentur für Arbeit gut 812 000 Minijobber über 65 Jahren. Mehr als 128 000 von ihnen waren älter als 74, berichtete die Chemnitzer „Freie Presse“. Ende 2003 hatten lediglich 595 433 Senioren einen Minijob. Für die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrike Mascher, steht damit fest: „Wenn so viele Rentner einen Job ausüben, um ihre Alterseinkünfte aufzubessern, dann ist dies ein klarer Beleg dafür, dass die Altersarmut weiter wächst.“