Verfassungsschutz warnt vor islamistischem und rechtem Terror
Berlin (dpa) - Neben der Gefahr durch islamistischen Terror sehen Verfassungsschützer in Deutschland auch eine mögliche Bedrohung aus der rechten Szene.
„Rechtsterroristische Anschläge durch Einzeltäter halten wir durchaus für möglich“, sagte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts seiner Behörde in Berlin. Konkrete Anschlagspläne seien aber nicht bekannt. Eine der größten Gefahren für die innere Sicherheit liegt aus Sicht des Geheimdienst-Chefs weiterhin anderswo: „Deutschland ist nach wie vor Anschlagsziel von islamistischen Terroristen.“
Der Verfassungsschutzbericht fasst die Erkenntnisse des Inlandsgeheimdienstes aus dem vergangenen Jahr zusammen. Die Islamisten-Szene verzeichnet demnach einen wachsenden Zulauf: Sie hatte 2012 mehr als 42 000 Anhänger. Ein Jahr zuvor waren es noch 38 080 gewesen. Besonders stark wuchs die Bewegung der radikal-islamischen Salafisten - von 3800 (2011) auf 4500 Anhänger.
Rund 1000 Personen aus der islamistischen Bewegung seien als gefährlich eingestuft, sagte Maaßen. Etwa 130 besonders gefährliche Islamisten würden zum Teil rund um die Uhr bewacht. Eine besondere Bedrohung gehe von Einzeltätern aus. Zu beobachten sei eine verstärkte Reisebewegung in ausländische Terror-Camps und Kampfgebiete. Wenn Menschen von dort zurückkämen, seien sie radikalisiert, hätten Kampferfahrung und eventuell auch einen Kampfauftrag für Deutschland. „Das ist kein Grund, vor Angst in Schockstarre zu verfallen.“ Das Land müsse aber aufmerksam bleiben.
Sowohl die rechts- als auch die linksextremistische Szene sind dagegen leicht geschrumpft. Sorge bereitet der Behörde allerdings das zunehmende Gewaltpotenzial in beiden Gruppen. In der linksextremen Szene wurden 2012 rund 29 000 Anhänger gezählt (2011: 31 800). Die Zahl der gewaltbereiten Linksextremisten blieb unverändert bei rund 7100. Es wachse aber die Akzeptanz gewalttätiger Angriffe gegen staatliche Vertreter wie Polizisten.
Der rechten Szene ordneten die Behörden im vergangenen Jahr 22 150 Anhänger zu (2011: 22 400; 2010: 25 000). Annähernd jeder zweite Rechtsextreme sei als gewaltbereit einzustufen, sagte Maaßen. Die Verbrechen der rechtsextremen Terrorzelle NSU stießen zwar grundsätzlich auf Vorbehalte in der Szene. Es gebe aber einige, die die Taten befürworteten und Terrorismus als Option ansähen.
Der Terror des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) hatte eine neue Dimension an Gefahr aus dem rechten Spektrum aufgezeigt. Der rechtsextremen Bande werden zehn Morde zwischen den Jahren 2000 und 2007 zur Last gelegt - überwiegend an Migranten. Das Terrortrio flog erst im November 2011 auf. Polizei und Nachrichtendienste waren der Gruppe über Jahre nicht auf die Spur gekommen.
Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) will die Zusammenarbeit der Verfassungsschützer in Bund und Ländern verbessern, unter anderem neue Schwerpunkte für das Bundesamt setzen und die Regeln zum Umgang mit Akten ändern. Die Arbeit an einer Gesetzesnovelle laufe, sagte er. Details will Friedrich im Juli vorstellen.
Die Deutsche Polizeigewerkschaft forderte mehr verdeckte Ermittler, um besseren Einblick in die Machenschaften von Extremisten zu bekommen. Die Opposition verlangte dagegen eine Rundumerneuerung beim Verfassungsschutz: Die SPD mahnte, nötig sei ein fundamentaler Mentalitätswechsel bei dem Geheimdienst. Die Grünen forderten einen Neustart der Behörde mit anderem Personal und begrenzten Befugnissen, die Linke will die komplette Auflösung des Verfassungsschutzes.