Meldegesetz wird zur Stolperfalle
Parteien der Koalition schieben sich nach Fiasko gegenseitig die Schuld zu. Streit zwischen CSU und Liberalen flammt erneut auf.
Berlin. Im Nachhinein ist man manchmal doch klüger als zuvor. Die nachträgliche Aufweichung des Datenschutzes beim neuen Meldegesetz des Bundes ist der Koalition gewaltig auf die Füße gefallen.
Die drei Koalitionsparteien übten sich am Montag in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Aber auch die gesamte Opposition hatte das hohe politische Mobilisierungspotenzial, das sich hinter einer kaum gebremsten Meldedaten-Weitergabe an die Werbewirtschaft verbirgt, offensichtlich eine ganze Woche lang verschlafen.
Selbst die amtlichen Datenschützer beim Bund und bei den Ländern, die das bereits am 28. Juni vom Bundestag zu später Stunde ohne Aussprache verabschiedete Gesetz hätten kennen müssen, brauchten reichlich Zeit für ihre warnenden Reaktionen.
Die FDP zeigte mit dem Finger auf die CSU — und gab ihr damit die Schuld für die Abkehr von der ursprünglich im Regierungsentwurf vorgesehenen Einwilligungsklausel des Bürgers zur Weitergabe seiner Daten an die Werbewirtschaft hin zu einer nur eingeschränkten Widerspruchsklausel.
„Erfreut nehmen wir den Sinneswandel der CSU zur Kenntnis, die offensichtlich doch datenschutzfreundlicher ist, als sich dies bislang gezeigt hat“, ließ die FDP-Obfrau im Innenausschuss, Gisela Piltz, nach den ganzen Aufregungen verkünden.
Der CSU-Innenpolitiker Hans-Peter Uhl, der als Initiator der Änderungen gilt, konterte in München: „Es gibt laut höchstrichterlicher Rechtsprechung in Deutschland kein Recht, sich zu verstecken.“
Uhl bezieht sich damit wohl auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes von Juni 2006, das für die Bürger lediglich ein Widerspruchsrecht verlangt, wenn die Meldebehörde seine Daten zu Werbezwecken gegen Gebühren verkaufen will.
Der Brief mit den umstrittenen Änderungswünschen der Koalition datiert vom 15. Juni und trägt die Unterschriften von Uhl und Piltz. Spätestens nach dem Koalitionsgespräch am 22. Mai, bei dem die Änderungswünsche ebenfalls vorlagen, hatten auch Fraktionsspitzen und Regierungsvertreter Kenntnis. Die Änderungen wurden dann im Innenausschuss in den Gesetzentwurf gegen den Widerstand der Opposition eingefügt.
Vor leeren Stuhlreihen im Bundestag wurde am Abend des 28. Juni — während des Fußball-EM-Halbfinales Deutschland-Italien — das Gesetz ohne Aussprache innerhalb von 57 Sekunden verabschiedet.