Mursi in Deutschland: Achteinhalb Stunden in Berlin

Ägyptens Präsident Mursi betont, dass sein Land ein ziviler Rechtsstaat werden soll. Doch in Deutschland bleiben Zweifel.

Berlin. Für einen Abstecher zur Nofretete — der vielleicht berühmtesten Repräsentantin seines Landes, die nur zweieinhalb Kilometer vom Kanzleramt entfernt im Museum steht — reichte es bei dem stark gestrafften Programm nicht.

Im streng gesicherten Regierungsviertel, wo die Wagenkolonne des ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi unterwegs war, konnte er trotzdem einen ungefähren Eindruck bekommen: Aus Protest gegen das brutale Vorgehen der ägyptischen Staatsgewalt hatte Amnesty International dort zwei große Nofretete-Figuren aufgestellt: eine mit Gasmaske, eine mit blutigem Verband.

Aber das sind für den seit einem halben Jahr amtierenden Präsidenten Störungen der kleineren Art, auf die er bei einem seiner ersten Besuche im Westen nicht eingehen musste. Die militärischen Ehren, den gemeinsamen Gang mit Merkel über den Roten Teppich, die Pressekonferenz bewältigte der 61-jährige Ex-Funktionär der Muslimbruderschaft sehr professionell.

Die Frage nach dem kürzlich aufgetauchten Video mit bösen Äußerungen über die israelischen Nachbarn („Kriegstreiber“, „Nachfahren von Affen und Schweinen“) tat er mit der Bemerkung ab, die Zitate seien „aus dem Zusammenhang gerissen“.

Ansonsten war Mursi nach dem Mittagessen mit der Kanzlerin sehr um gut Wetter bemüht. Deutschland habe Ägyptens Demokratiebewegung als eines der ersten Länder unterstützt, noch vor dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak vor zwei Jahren.

„Unser Treffen ist die Krönung gemeinsamer Bemühungen. Wir werden keine Mühe scheuen, auf diesem Weg voranzuschreiten.“ Die „neue vielversprechende demokratische Atmosphäre“ zu Hause sei einer der wichtigsten Motivationsgründe für ihn, in der Arbeit fortzufahren. In Ägypten werden sich viele über solche Sätze wundern.

Überhaupt vermittelte Mursi den Eindruck, als wisse er genau, was man in Deutschland von ihm hören will. Zum Beispiel ein Bekenntnis wie dieses: „Ägypten wird ein Rechtsstaat sein, ein ziviler Staat, welcher nicht militärischer oder theokratischer Natur ist. Ein demokratischer Staat in allen Bedeutungen dieses Wortes.“ Merkel beließ es angesichts solcher Sätze bei einem betont sachlichen Blick.

Die Kanzlerin selbst legte viel Wert auf Appelle an Mursi in den verschiedensten Variationen, vom Weg der Demokratisierung nicht abzukommen. An der Grundstimmung — einer großen Unsicherheit, wie es in Ägypten weitergehen wird — hat sich in Berlin nichts geändert. Immer noch liegt zu viel im Ungewissen.

Konkrete Ergebnisse des Besuchs gab es nicht. Auch die größte Hoffnung der Ägypter — zusätzliches Geld aus Berlin — hatte sich nach der achteinhalbstündigen Visite zunächst nicht erfüllt.