Occupy Wall Street: Protestwelle weitet sich aus

Die Bewegung „Occupy Wall Street“ will jetzt auch Deutschland erobern.

Berlin. Sie bangen um ihre Zukunft und tragen ihre Wut auf die Straße: Die Protestbewegung „Occupy Wall Street“ („Besetzt die Wall Street!“) startete vor etwa einem Monat in New York — nun sollen auch in Deutschland nach dem US-Vorbild Massen an Studenten, Arbeitslosen und anderen Systemkritikern mobilisiert werden.

Am Samstag sind laut Website www.15october.net weltweit in etwa 1000 Städten Proteste geplant, in Deutschland sind es mehrere Dutzend. Ihre Enttäuschung über soziale Schieflage und Perspektivlosigkeit wollen Demonstranten beispielsweise auch vor dem Bundeskanzleramt in Berlin, vor der Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt und vor der WestLB in Düsseldorf zum Ausdruck bringen. Doch Forscher bezweifeln, dass es ein Massenphänomen wird.

In New York begann der Protest mit einer Gruppe junger Leute in einem Park nahe der Wall Street. Dort campieren sie in Schlafsäcken und fordern eine stärkere Beteiligung der Banken an den Kosten der Finanzkrise. Zu Demos kamen Tausende. „Wir sind die 99 Prozent, die die Gier und Bestechung des einen Prozents nicht mehr hinnehmen wollen“, heißt es in Anspielung auf Amerikas reichstes Prozent der Bevölkerung. Die Macht der Banken solle beschnitten und das Sozialsystem verbessert werden.

Kann die Protestbewegung in Deutschland dauerhaften Erfolg haben? Der Soziologe Dieter Rucht vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sieht das skeptisch. Die Rahmenbedingungen für ein Herüberschwappen der „Occupy“-Protestwelle nach Deutschland seien zwar günstig. „Es gibt eine massiv verbreitete Unzufriedenheit in der Bevölkerung“, sagt Rucht. Aber: Es fehle ein klarer Auslöser und ein klarer Adressat für die Empörung.

In den USA biete sich die Wall Street als Ziel der Wut an. In Deutschland gebe es aber keine eindeutigen symbolischen Orte, die zum Zentrum der Proteste werden könnten, sagte Rucht.

Die Milliarden-Euro-Beträge, mit denen derzeit in Brüssel für eine Euro-Rettung hantiert werde, seien zu abstrakt, um in der breiten Bevölkerung starken Protest auszulösen, sagte der Politikwissenschaftler Johannes M. Becker. Erst wenn in Deutschland die Steuern angehoben würden, um der durch Finanzkrise und Banken-Missmanagement verursachten Schuldenberge Herr zu werden, und die Armut sich dadurch verschärfe, könnte „Occupy Wall Street“ hierzulande zur tiefgreifenden Protestbewegung mit Auswirkung auf Staat und Gesellschaft werden.