SPD: Neues Wahlrecht produziert Überhangmandate
Berlin (dpa) - Das neue von Schwarz-Gelb beschlossene Wahlrecht wird im Bundestag nach Ansicht der SPD für eine Rekordzahl an Überhangmandaten sorgen.
„Wenn jetzt Bundestagswahlen stattfinden würden, gäbe es so viel Überhangmandate wie nie zuvor“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, der „Frankfurter Rundschau“ (Donnerstag). Die FDP wies den Vorwurf als „absurd“ zurück. Das neue Wahlrecht steht an diesem Freitag im Bundesrat zur Debatte.
Nach einer Hochrechnung des Erlanger Politikwissenschaftlers Stephan Klecha für die SPD-Fraktion, die sich auf eine Forsa-Umfrage vom 12. Oktober stützt, würden bei einer Bundestagswahl aktuell 31 Überhangmandate anfallen. Bei der Wahl 2009 waren es 24 und 2005 noch 16 Überhangmandate gewesen.
Überhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei mehr Direktmandate durch Erststimmen gewinnt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen. Da Union und SPD über die Zweitstimmen in der Regel nicht mehr Ergebnisse jenseits der 40-Prozent-Marke erzielen, aber weiterhin in vielen Regionen fast alle Direktmandate (Erststimme) gewinnen, ist die Zahl der Überhangmandate massiv gestiegen. Besonders die Union profitierte bei der Bundestagswahl 2009 von diesem Umstand.
Oppermann sagte, er sei überzeugt, dass das neue Wahlrecht verfassungswidrig sei. Dem widersprach am Donnerstag der FDP-Wahlrechtsexperte Stefan Ruppert: Der Vorwurf sei „absurd“. Das von der Koalition beschlossene Wahlrechtsmodell reduziere die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Überhangmandaten. Außerdem seien diese auch nicht per se verfassungswidrig.
Schwarz-Gelb hatte die Wahlrechtsreform Ende September im Alleingang im Bundestag durchgesetzt. Im Bundesrat kann das Gesetz nicht gestoppt werden, da es nicht zustimmungspflichtig ist. SPD, Grüne und Linkspartei wollen vor dem Bundesverfassungsgericht dagegen klagen. Einem solchen möglichen Schritt sehe die Koalition gelassen entgegen, weil sie die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Neuregelung des Wahlrechts erfüllt habe, sagte Ruppert.
Die Karlsruher Richter hatten im Juli 2008 das sogenannte negative Stimmengewicht für verfassungswidrig erklärt. Dies kann in bestimmten Fällen bislang dazu führen, dass die Abgabe einer Zweitstimme einer Partei bei der Zahl ihrer Mandate schadet. Der Effekt tritt im Zusammenhang mit den Überhangmandaten auf.