Urteil: Nachtflüge am Hauptstadtflughafen erlaubt
Leipzig/Berlin (dpa) - Am künftigen Hauptstadtflughafen Berlin-Schönefeld wird es kein komplettes Nachtflugverbot geben. Das Bundesverwaltungsgericht wies am Donnerstag Klagen von Anwohnern und Anrainer-Gemeinden gegen die geplante Regelung zurück.
Danach sind am künftigen Großflughafen zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht sowie zwischen 5.00 und 6.00 Uhr durchschnittlich 77 Starts und Landungen erlaubt, maximal 103. Die Planer hätten die Lärmschutzinteressen der Anwohner ausreichend berücksichtigt, entschied das höchste Gericht.
Die Kläger nannten das Urteil eine „Katastrophe“, die Betreiber einen „Meilenstein“. Berlins Regierender Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit (SPD) sagte, nun könnten verstärkt Interkontinentalverbindungen angeboten werden. „Wir bauen den Flughafen, damit Menschen zu uns kommen.“ Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte: „Dies ist ein guter Tag für Wirtschaft und Beschäftigung in unserer Region.“
Für den Flughafen Frankfurt hatte am Dienstag der Hessische Verwaltungsgerichtshof hingegen völlig überraschend ein vorläufiges Nachtflugverbot verhängt - und zwar zwischen 23.00 und 5.00 Uhr für den Winterflugplan. Die Kasseler Richter sahen die Anwohner in dem Ballungsraum nicht ausreichend vor nächtlichem Fluglärm geschützt. Auch bei Deutschlands größtem Flughafen hat nun das Bundesverwaltungsgericht das letzte Wort.
Der neue Flughafen im brandenburgischen Schönefeld ersetzt die bestehenden Airports in Tegel und Schönefeld sowie den bereits geschlossenen Flughafen Tempelhof. Er soll am 3. Juni 2012 in Betrieb gehen.
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch, nannte das Urteil für den Hauptstadtflughafen „wegweisend“. „In der Luftfahrt dürfen am späten Abend nicht alle Lichter ausgehen, wenn die Wirtschaftskraft und die Arbeitsplätze dieser Branche auch in Zukunft gesichert werden sollen.“ Ähnlich reagierte der Flughafenverbandes ADV und das Deutsche Verkehrsforum.
2006 hatte das Leipziger Gericht den 24-Stunden-Betrieb auf dem neuen Großflughafen an der Stadtgrenze untersagt. Die Planer besserten nach, nun haben die Richter den Planergänzungsbeschluss für zulässig erklärt (Az: BVerwG 4 A 4000.09, 4000.10, 4001.10). Der Bürgerverein Berlin-Brandenburg (BVBB) will das Urteil jedoch nicht akzeptieren und kündigte eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg an.
„Das war der letzte Meilenstein auf dem Weg zum neuen Flughafen“, sagte Flughafen-Chef Rainer Schwarz. Schönefeld werde der „dritte große Player“ unter den deutschen Flughäfen - nach Frankfurt und München. Der Flughafen öffnet mit einer Kapazität von 27 Millionen Passagieren, Ausbaustufen bis zu 45 Millionen sind vorgesehen.
„Das Urteil ist eine Katastrophe für alle Menschen in Deutschland, die in der Nähe von Verkehrsflughäfen wohnen“, sagte dagegen Carl Ahlgrimm, der Bürgermeister von Großbeeren. Die Gemeinde zählte zu den Klägern. „Nachtruhe wird auf fünf Stunden beschränkt - aus rein wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaften“, sagte Ahlgrimm.
Der Vorsitzende Richter Rüdiger Rubel hatte in der mündlichen Urteilsbegründung den Bedarf für Nachtflüge hervorgehoben. Der Großflughafen diene laut Genehmigung dazu, den nationalen und internationalen Luftverkehrsbedarf der Länder Berlin und Brandenburg an einem Standort zu bedienen. Seine Bedeutung werde zwar nicht an Frankfurt und München heranreichen, wohl aber über die der bisherigen Berliner Flughäfen hinausgehen - durch ein insgesamt verbessertes Flugangebot und mehr Umsteigeverkehr, um den bislang schwach entwickelten Interkontinentalverkehr auszubauen, wie Rubel sagte.