Polizei darf friedliche Demonstranten nicht filmen

Münster (dpa) - Die Polizei darf eine friedliche Kundgebung von Atomgegnern nicht filmen. Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster in einem am Montag veröffentlichten Beschluss (Az.: 5A 2288/09).

Auch wenn die Szenen nur in ein Einsatzfahrzeug übertragen und noch nicht aufgezeichnet werden, sei das Vorgehen ein rechtswidriger Eingriff in Grundrechte.

„Bürger hätten aus Sorge vor staatlicher Überwachung von der Teilnahme an der Versammlung abgeschreckt werden können“, heißt es in der Entscheidung zum Demonstrationsrecht. Außerdem hätten sich die Teilnehmer überwacht und eingeschüchtert fühlen können. Die Gewerkschaft der Polizei sprach von einer „krassen Fehlentscheidung“.

Konkret ging es um eine Kundgebung „Urantransporte stoppen“, zu der sich vor zwei Jahren in Münster 40 bis 70 Menschen versammelt hatten. Dort hatten die Beamten vorsorglich Aktivisten gefilmt. Diese klagten dann. Die Polizei musste bereits in erster Instanz eine Niederlage einstecken - das OVG lehnte jetzt auch die Berufung ab.

Polizisten lassen die Kamera laufen, um im Notfall mitzuschneiden. Die Vorschriften lassen aber nur Videobeobachtung von Gewalttätern zu, wie es in der Entscheidung heißt. Eine Lösung wäre es demnach gewesen, wenn „eine im Stand-by-Modus geschaltete Kamera erkennbar von der Versammlung abgewendet worden wäre“. Bei Bedarf hätte die Kamera dann in Sekunden auf Gewalttäter gerichtet werden können.

Anti-Atom-Initiativen sehen sich bestätigt. Dies sei bundesweit die erste OVG-Entscheidung zu polizeilicher Videobeobachtung auf Demonstrationen, sagte Felix Ruwe von der Initiative „Kein Atommüll in Ahaus“ laut Mitteilung. „Immer wieder filmt die Polizei auf Demos, ohne dass Teilnehmer erkennen können, was mit den Aufnahmen nachher passiert. Wir fordern nun als Konsequenz NRW-Innenminister (Ralf) Jäger auf, die Polizei-Kameras auf Demonstrationen abzuschalten und die Versammlungsfreiheit gemäß den OVG-Vorgaben zu schützen.“

Als „wirklichkeitsfremd“ kritisierte die Gewerkschaft der Polizei NRW die Entscheidung. „Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut“, betonte Sprecher Stephan Hegger. „Wir müssen aber die Chance haben, Straftäter zu verfolgen.“ Die Erfahrung zeige, dass es immer wieder gewaltsame Übergriffe bei Demos gebe. Die Beamten müssten Beweise sichern können, wenn es Anhaltspunkte gebe, dass es zu Gewalt kommt.

Nach Einschätzung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums hat der Beschluss keine Auswirkungen auf die tägliche Polizeiarbeit. Eine Sprecherin bezeichnete den Fall als „Einzelfall-Entscheidung“. Die Beamten hätten damals „tatsächlich rechtswidrig“ gehandelt. Für gewöhnlich werde die Kamera in Bereitschaft gehalten und laufe erst dann mit, wenn sich Übergriffe abzeichneten. Übersichtsaufnahmen von einem Hubschrauber aus seien zudem von dem Beschluss nicht betroffen.

Es hat bereits mehrere Prozesse in niederen Instanzen gegeben. So hatte das Verwaltungsgericht Berlin in diesem Juli geurteilt, dass für das Filmen friedlicher Demonstranten jede Rechtsgrundlage fehle.