„anderes“, „divers“, „inter“? Regierung uneins über drittes Geschlecht
Berlin (dpa) - In der Bundesregierung gibt es Kontroversen darüber, wie das Personenstandsrecht besser auf Menschen ohne eindeutiges biologisches Geschlecht zugeschnitten werden kann.
Justizministerin Katarina Barley und Familienministerin Franziska Giffey (beide SPD) blockieren laut „Spiegel“ einen Gesetzentwurf von Innenminister Horst Seehofer (CSU). Darin sei vorgesehen, dass sich Menschen, die weder weiblich noch männlich sind, in Ausweispapieren künftig in der Kategorie „anderes“ eintragen lassen können.
Im Justiz- und Familienministerium halte man diese Bezeichnung, die auf eine Empfehlung des Ethikrats zurückgehe, für herabsetzend, schreibt der „Spiegel“. Barley bevorzuge den Begriff „weiteres“, Giffey wolle „divers“ oder „inter“. In einem Schreiben des Justizministeriums zu Seehofers Entwurf werde das Regelwerk als noch nicht ausgereift bezeichnet. Der Entwurf erzeuge ein Ungleichgewicht zwischen Inter- und Transsexuellen, für die Barley ein einheitliches Gesetz fordert.
Derzeit kennt das deutsche Personenstandsrecht nur die Optionen „weiblich“ oder „männlich“. Seit 2013 besteht zudem die Möglichkeit, den Eintrag offen zu lassen, wenn das Geschlecht eines Neugeborenen nicht eindeutig ist. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Herbst 2017 entschieden, dass die geltende Regelung gegen das Persönlichkeitsrecht und das Diskriminierungsverbot verstößt (1BvR 2019/16). Der Gesetzgeber muss das Recht deshalb bis Ende 2018 ändern, indem er einen dritten Geschlechtseintrag schafft - oder ganz darauf verzichtet.
Der Deutsche Ethikrat geht davon aus, dass es rund 80 000 intersexuelle Menschen in Deutschland gibt. Bei ihnen sind die Geschlechtsmerkmale, also zum Beispiel Chromosomen, Hormone und Genitalien, nicht eindeutig ausgeprägt. Intersexuelle verfügen über männliche und weibliche Merkmale, etwa weibliche Geschlechtsteile und männliche Chromosomen.
Seehofer will laut „Spiegel“ Kindern mit uneindeutigem Geschlecht vom 14. Lebensjahr an die Entscheidung gestatten, wie sie im Personenstandsregister geführt werden. Barley fordere dagegen, „zumindest zu erwägen“, ob dies nicht schon für jüngere Kinder möglich sein sollte. Die Justizministerin wolle es den Betroffenen im Konfliktfall außerdem ermöglichen, eine Personenstandsänderung ohne Zustimmung ihrer Eltern zu erreichen - und sich später im Leben doch wieder für ein anderes Geschlecht zu entscheiden.
Barley plädiert darüber hinaus dafür, den sogenannten Genderstern (*) in den Duden aufzunehmen. Sie freue sich „über jede Veränderung, die dazu beiträgt, unseren Blick auf andere Formen von Identität und Lebensweisen zu entspannen“, sagte die SPD-Politikerin dem Berliner „Tagesspiegel“ (Samstag). „Sprache sagt viel darüber aus, wie eine Gesellschaft tickt und zusammenhält.“ Dafür sei der Duden stets ein wichtiges Messinstrument gewesen.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der die amtliche Schreibweise von Worten festlegt, will sich dem Bericht zufolge am 8. Juni mit dem Thema „geschlechtergerechte Schreibung“ befassen. Der Genderstern wird bei Personenbezeichnungen zwischen dem Wortstamm und der weiblichen Endung eingefügt („Kolleg*innen“), er soll Diskriminierungen vermeiden.