Rösler-Reform nimmt letzte Hürde
Berlin (dpa) - Die Gesundheitsreform von Union und FDP hat im Bundesrat ihre letzte Hürde genommen. Somit steigt der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Jahresbeginn von 14,9 auf 15,5 Prozent.
Auch eine grundlegende Neuordnung des Pharmamarkts in Deutschland hat die Länderkammer am Freitag passiert. Bei den beiden großen gesundheitspolitischen Gesetzen der schwarz-gelben Koalition scheiterten die SPD-geführten Länder erwartungsgemäß mit Anträgen auf Anrufung des Vermittlungsausschusses.
Für die Krankenkassen entfallen 8,2 Prozent vom Bruttoeinkommen auf Arbeitnehmer und Rentner. 7,3 Prozent zahlen die Arbeitgeber. Für sie wird der Satz bei diesem Stand dann eingefroren.
Wenn die Kassen mit dem Geld nicht auskommen, können sie künftig unbegrenzt Zusatzbeiträge erheben. Somit müssen die 50 Millionen Kassenmitglieder alle Mehrkosten für Ärzte, Kliniken und Pharma zahlen. Ein Sozialausgleich soll Überforderung verhindern: Übersteigt der von allen Kassen im Schnitt gebrauchte Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens, erhält man die Differenz aus Steuermitteln zurück.
Wer mehr als die 2011 gültige Versicherungspflichtgrenze von 4125 Euro verdient, kann schon nach einem statt nach drei Jahren in eine Privatkasse wechseln. Wer andere Arzneimittel haben möchte als die, für die Rabattverträge gelten, darf diese teureren Mittel kaufen. Letztlich muss er die Mehrkosten selbst schultern. Krankenhäuser, Apotheker, Pharmagroßhandel und Kassen sollen mehrere hundert Millionen Euro einsparen.
Wer beim Arzt erstmal selbst zahlen und sich das Geld von der Kasse zurückerstatten lassen will, kann dies leichter tun. Die Bindungsfrist für die Kostenerstattung wird auf ein Vierteljahr gesenkt. Die elektronische Gesundheitskarte, deren Vorbereitung sich seit Jahren dahinschleppt, soll allmählich kommen: Die Kassen müssen bis Ende 2011 zehn Prozent ihrer Versicherten damit ausstatten.
Mit dem Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz soll der Kostenanstieg bei Medikamenten gebremst werden. Jährlich sollen hier zwei Milliarden Euro gespart werden. Pharmahersteller sollen den Nutzen neuer teurer Mittel nachweisen. Binnen eines Jahres muss der Hersteller mit dem Kassen-Verband den endgültigen Preis aushandeln. Hat das Medikament keinen Zusatznutzen, wird ein Festbetrag in Höhe vergleichbarer Präparate festgesetzt.
Die SPD warf der Koalition wegen der künftig einseitigen Belastungen der Arbeitnehmer durch die Zusatzbeiträge ein Ende des Solidarsystems vor. „Der vorgelegte Entwurf verlässt die Prinzipien der sozialstaatlichen Vorsorge“, kritisierte die nordrhein- westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). Die baden- württembergische Sozialministerin Monika Stolz (CDU) entgegnete: „Dieses Gesetz wird nachhaltig und langfristig die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf solide Beine stellen.“
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) verteidigte die Gesetze: „Erstens galt es ein Defizit von neun Milliarden Euro sozial gerecht auszugleichen und zweitens den Einstieg in ein gerechtes, transparentes und wettbewerbliches Gesundheitssystem zu schaffen.“ Beitragsanstieg und Kostendämpfung hätten fast sozialdemokratische Handschrift, räumte Rösler ein. Zufrieden sei er vor allem mit der Festschreibung des Beitragssatzes plus Sozialausgleich, weil so künftige Kostensteigerungen nicht mehr zu Lasten der Lohnkosten gingen.