Terrorabwehr Rudolf Henke: "Das macht die Welt nicht sicherer"
Der Marburger-Bund-Chef ist gegen Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht.
Berlin. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) will an diesem Donnerstag ein Maßnahmepaket zum Anti-Terror-Kampf vorstellen. Darin geht es auch um eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht, um mögliche Straftaten zu verhindern. Der Chef der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Rudolf Henke, der auch Bundestagsabgeordneter der CDU ist, lehnt das im Gespräch mit unserem Korrespondenten Stefan Vetter strikt ab.
F: Herr Henke, Ärzte als Terroristenjäger - was halten Sie von dieser Vorstellung?
A: Reizvoll. Allerdings sind die Ärzte dafür gar nicht geschult. So wenig wie Polizisten etwas von medizinischer Behandlung verstehen, so wenig dürfen sich Ärzte dazu berufen fühlen, die Arbeit der Polizei zu übernehmen.
F: Die ärztliche Schweigepflicht hat aber auch heute schon ihre Grenzen.
A: Die Schweigepflicht ist für die Patienten da. Allerdings muss der Patienten dulden, dass sie gesetzlich begrenzt werden kann. Für die Abrechnung werden Krankheitsdaten an die Krankenkasse übermittelt. Das ist schon eine Einschränkung der Schweigepflicht. Erfährt der Arzt von seinem Patienten etwas über mögliche Straftaten gegen das Leben, kann er sich auf einen rechtfertigenden Notstand berufen, der im Strafgesetzbuch geregelt ist, und die Behörden darüber informieren. Nach aller Erfahrung sind solche Fälle schon ausreichend geregelt.
F: Aber womöglich hätte sich die Germanwings-Katastrophe im vergangenen Jahr verhindern lassen, wäre die Suizidgefährdung des Copiloten bekannt geworden.
A: Die Behörden hatten ja Kenntnis über eine depressive Veranlagung dieser Person. Aber man ist dem nicht nachgegangen. Mit der ärztlichen Schweigepflicht hat dieser Fall nach meiner Einschätzung nichts zu tun.
F: Das heißt, Sie sehen keinerlei Bedarf für weitere Lockerungen der ärztlichen Schweigepflicht?
A: Es geht doch darum, was eine generelle Neuregelung bringen könnte. Sollen die Verkehrsbehörden automatisch die Fahrerlaubnis einkassieren, wenn der Arzt bei einem Patienten mit Führerschein schwere Depressionen diagnostiziert? Die Sicherheit wird dadurch nicht verbessert.
F: Warum?
A: Weil es dann viel weniger Menschen geben wird, die sich wegen ihrer depressiven Störungen behandeln lassen. Schlimmer noch, wenn der Arzt bei jedem Verdacht die Polizei einschalten muss, dann gehen Gefährdete überhaupt nicht mehr hin. Und ich glaube nicht, dass die Welt dadurch sicherer wird. Unter den Flüchtlingen sind viele mit posttraumatischen Störungen wegen mit erlebter Gewalt. Wollen wir diesen Menschen Angst machen, dass Ärzte oder Psychologen sie bei der Polizei melden? Was ist damit gewonnen? Das ist die denkbar schlechteste Lösung.
F: Werden Sie das auch dem Bundesinnenminister sagen?
A: Ja. Natürlich kann man immer über neue Vorgehensweisen diskutieren. Aber Schnellschüsse sind fehl am Platz. Für jede Einschränkung der Schweigepflicht ist ein Gesetz nötig. Und das muss auf seine Verhältnismäßigkeit geprüft sein.