Schäuble will trotz Fluthilfen ab 2015 Schulden abbauen
Berlin (dpa) - Der Bund will trotz der Mehrkosten für den Fluthilfefonds und neuer Milliardenzusagen an die Länder von 2015 an Überschüsse erzielen. Erstmals seit vier Jahrzehnten sollen Schulden abgebaut werden.
Zwar steigt in diesem Jahr die Neuverschuldung wegen der Fluthilfen um acht Milliarden Euro auf nun 25,1 Milliarden Euro. Für 2014 plant Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dann aber neue Kredite von „nur“ noch 6,2 Milliarden und für das Folgejahr einen Mini-Überschuss von dann 200 Millionen Euro.
Das geht aus dem Entwurf für den Haushalt 2014 und den Finanzplan bis 2017 hervor, der an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden soll. Die Zahlen fallen damit etwas besser aus als die Etat-Eckwerte vom März. Schäuble profitiert dabei vor allem von den extrem niedrigen Zinsen für Kredite des Bundes. Die SPD moniert, dass in den vergangenen Jahren zu wenig für den Schuldenabbau getan worden sei. Die Linke kritisiert die Planungen, weil Schäuble die Flut-Milliarden anderswo im Haushalt einsparen wolle.
An diesem Montag will das Kabinett den Gesetzentwurf für den Aufbauhilfe-Fonds von bis zu acht Milliarden Euro zur Beseitigung der Flutschäden beschließen. Wegen der dafür fälligen neuen Schulden wird ein Nachtragsetat 2013 vorgelegt. Der Bund schießt die bis zu acht Milliarden Euro zunächst komplett vor, die Länder beteiligen sich zur Hälfte an der Finanzierung.
Da der Bund 1,5 Milliarden Euro zur Beseitigung der Flutschäden an der Bundesinfrastruktur allein trägt, reduziert sich das mit den Ländern abzuzahlende Volumen auf 6,5 Milliarden Euro. Die Länder bekommen bis zum Jahr 2033 Zeit, ihren Anteil von 3,25 Milliarden Euro abzuzahlen. Außerdem erhalten sie bis 2019 weiter Zuschüsse für kommunale Investitionen von jährlich 2,6 Milliarden Euro.
Der Bund will sich das Geld für den auf Jahre angelegten Hilfsfonds je nach Bedarf borgen. Da die Länder jährlich Zins- und Tilgungsraten von 202 Millionen Euro zahlen, senkt sich das Defizit in der Bundeskasse entsprechend. So fällt die Neuverschuldung 2014 mit 6,2 Milliarden um 200 Millionen Euro geringer aus als noch im März geplant. Das ist so wenig wie zuletzt vor 40 Jahren.
Ab 2015 will der Bund erstmals seit 1969 gar keine neuen Schulden mehr aufnehmen. Strukturell - also ohne Konjunktur- und Einmaleffekte - schafft der Bund die „schwarze Null“ schon 2014. Für 2016 ist ein Überschuss von 5,2 Milliarden unterstellt, im Folgejahr soll das Plus auf 9,6 Milliarden Euro klettern.
Schäuble profitiert vor allem davon, dass er sich derzeit äußerst günstig Geld am Kapitalmarkt beschaffen kann. Die Zinsausgaben konnten 2014 gegenüber dem bisherigen Finanzplan um 5,2 Milliarden Euro gesenkt werden. Zugleich zapft Schäuble die Überschüsse der Sozialkassen an: Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds wird wegen der dortigen Rücklagen um 3,5 Milliarden gekürzt. Schließlich mussten alle Ressorts die Mehrkosten durch das Betreuungsgeld auffangen.
Geht es nach den Kassenhütern, sollten die ab 2015 in Aussicht gestellten Überschüsse ausschließlich zum Schuldenabbau genutzt werden. Schließlich hatte der Bund bis Ende März Altlasten von mehr als 1,1 Billionen Euro angehäuft - mit noch steigender Tendenz. Die Union hat in ihrem Wahlprogramm aber mehr Geld für Rentner, Familien oder den Straßen- und Schienenbau versprochen. Dafür dürfte ein zweistelliger Milliardenbetrag fällig werden.
SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider kritisierte: „Die Planung des Finanzministers ist auf Sand gebaut.“ Schäuble habe es versäumt, die vergangenen Jahre für eine strukturelle Konsolidierung zu nutzen, um früher ohne neue Schulden auszukommen. Das Wirtschaftswachstum schwäche sich deutlich ab, und auch die Zinsen werden laut Schneider nicht dauerhaft niedrig bleiben: „Für diese offensichtlichen Risiken gibt es keinerlei Puffer.“ Die gut gefüllten Sozialkassen seien Reserven, die dringend nötig seien.
Linke-Parteichef Bernd Riexinger sagte dem „Tagesspiegel“ (Sonntag): „Die Bundesregierung plant im Kern, die Milliarden für die Fluthilfen an anderen Stellen wieder einzukürzen. Das ist ein Nullsummenspiel ohne Wert.“ Die sauberste Lösung sei eine Aussetzung der Schuldenbremse per Bundestagsbeschluss in der nächsten Woche.
Die Einigung Schäubles mit den Bundesländern über die Fluthilfe-Finanzierung stößt auch in den Reihen der Union auf Kritik. „Die Länder haben ihr Erpressungspotenzial maximal zu Lasten des Bundes ausgenutzt“, sagte der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, Norbert Barthle, der „Rheinischen Post“ (Samstag). Bei den Verhandlungen über die Flut-Aufbauhilfe hätten sich die Bundesländer ihre Zustimmung zum EU-Fiskalpakt teuer abkaufen lassen, rügte Barthle. „Das gefällt uns in der Koalition überhaupt nicht.“